Analyse zu Romneys Rede in Tampa "Bloß keinen Fehler machen"
Am Ende erntete Mitt Romney in Tampa doch noch Standing Ovations. Der blasse Herausforderer Obamas hat gezeigt, dass er dazugelernt hat. "Trotzdem wirkt er noch sehr verkrampft", sagt der Rhetorik-Trainer Michael Moesslang im Interview. Für tagesschau.de analysiert er Romneys Rede.
tagesschau.de: Mitt Romney konnte bei seiner Rede auf dem Parteitag die Delegierten offenbar doch noch mitreißen. Wie überzeugend fanden Sie seine Präsentation?
Michael Moesslang: Nicht wirklich überzeugend. Er versucht zwar sympathischer zu wirken. Aber er war zu sehr darauf bedacht, gut rüber zu kommen und ruhig zu wirken. Trotzdem merkt man ihm in der Großaufnahme die Anspannung deutlich an. Es lief also nicht ideal, aber auch nicht ganz schlecht, weil er weniger Fehler macht als früher. Er wirkt deutlich gelassener, lächelt viel und versucht emotionaler zu sein. Man merkt, dass er viel trainiert hat, dadurch wirkt er auf mich aber unauthentisch.
tagesschau.de: Woran genau merken Sie das?
Moesslang: Er macht seine Bewegungen sehr bewusst. Er steht zwar in einer guten Haltung ganz gerade am Rednerpult, wirkt dabei aber zu starr und ändert die Haltung nicht. Bei älteren Reden hat er immer mal spontane Bewegungen gemacht oder sich mal dem Publikum zugewandt. Gestern hingegen war er sehr bedacht und vorsichtig, um bloß keinen Fehler zu machen.
Insgesamt ist aber besser, dass er ruhiger geworden ist und versucht, mehr das Menschliche und Emotionale zu betonen. Er nickt sehr viel, um seine Worte zu bestätigen, das macht ihn auch sympathisch. Das hat er früher nicht so stark praktiziert.
"Er muss aufpassen, nicht zu künstlich zu wirken"
tagesschau.de: Hat er auch echte Fehler gemacht?
Moesslang: Nein, keine richtigen Fehler. Es sind nur Kleinigkeiten: Er versucht viel zu lächeln, er ist ja sehr oft in Großaufnahmen zu sehen. Gleichzeitig reißt er die Augenbrauen nach oben, was ein freundliches Gesicht macht und Sympathie erzeugt. Das ist alles prinzipiell gut. Er muss nur aufpassen, dass er das nicht überstrapaziert und dadurch künstlich wirkt.
Er zeigt im Gegensatz zu früher relativ wenig Gestik und man merkt ein wenig, dass er da etwas unterdrückt. Andererseits arbeitet er stark mit der schlagenden Hand, teilweise streckt er dabei auch den Zeigefinger aus und betont mit der Hand jedes zweite, dritte Wort. Das ist in Amerika nicht ganz so üblich wie beispielsweise in Deutschland. Diese Gestik hat immer etwas unterschwellig Aggressives. Das ist zwar zum Teil auch gewollt, allerdings muss Romney aufpassen, dass er dadurch nicht kühl und unsympathisch wirkt.
Inhaltlich hat er viele Allgemeinplätze von sich gegeben und sagt nicht wirklich viel. Zwar schafft er es, die Delegierten immer wieder anzupeitschen, aber man darf nicht vergessen, dass er ja von Parteigenossen umgeben ist.
"Romney bedient emotionale Schlüsselreize"
tagesschau.de: Worin war er für Sie denn überzeugend?
Moesslang: Er bedient emotionale Schlüsselreize. Zum Beispiel das Wort "freedom", also "Freiheit", das ist ja für die Amerikaner der höchste Wert. Dieses Wort hat er siebenmal wiederholt und so etwas lieben die Amerikaner natürlich. Da sind prompt alle von ihren Stühlen hochgesprungen und haben eine Minute lang applaudiert. An einigen Stellen setzt er solche Wiederholungen ein. Obwohl: Obama hat das noch viel intensiver genutzt, vor allem mit seinem "Yes, we can!", das war noch viel ausgeprägter.
Romney ist auch sehr freundlich, wenn über Obama spricht und wirkt dadurch sehr sympathisch. Natürlich kritisiert er Obama, aber er macht es nicht auf die harte Tour. Wir mögen im Allgemeinen keine Menschen, die auf anderen herumhacken. An einer Stelle sagt er zum Beispiel sinngemäß: "Ich hätte mir gewünscht, Obama wäre erfolgreich gewesen". Das ist ein Trick, eine freundlich formulierte Kritik, die ihn selbst als den Guten dastehen lässt.
tagesschau.de: Worin unterscheidet sich seine Präsentation im Wesentlichen von der Obamas?
Moesslang: Auch bei Obama hat sich viel verändert. Er gibt sich wesentlich hemdsärmeliger als früher. Bei vielen Reden trägt er kein Jackett mehr, spricht freier, kontrolliert sich selbst weniger. Er fasst sich zum Beispiel öfter mal ins Gesicht, kratzt sich am Ohr oder Ähnliches und er lacht mehr. Zwar verspricht er sich dann mal oder sagt ein "Äh", aber dadurch wirkt er auch einfach lockerer, was ihm guttut.
Romney wirkt dagegen verkrampft. Wenn er sich beispielsweise verspricht, korrigiert er sich und spricht dann erst weiter. Obama spricht einfach weiter, ohne sich zu korrigieren und so bekommen die Leute das womöglich gar nicht mit. Obama hält auch länger Blickkontakt als Romney. Romney tut das zwar auch, aber Obama setzt das viel intensiver ein, das erzeugt Vertrauen und er wirkt sicherer.
"Bush Senior hat in einer Debatte mal auf die Uhr geschaut..."
tagesschau.de: Präsentation und Wirkung sind im US-Wahlkampf ja entscheidende Faktoren. Kann Romney Obama diesbezüglich gefährlich werden?
Moesslang: Die Unterschiede in diesem Bereich sind heute nicht mehr so stark wie früher, weil alle sehr gut trainiert werden. George Bush Senior hat während einer Wahlkampfdebatte mal auf die Uhr geschaut, das hat ihn gleich neun Prozent Wählerstimmen gekostet. So etwas gäbe es heute natürlich nicht mehr. Trotzdem hat Obama bei der Wirkung immer noch die Nase vorn. Ob das allein aber reichen wird, um die Wahl zu gewinnen, ist fraglich.
tagesschau.de: Die gestrige Rede war ja ein entscheidendes Ereignis für Mitt Romney. Was ist, allgemein gesehen, das Wichtigste bei solchen bedeutenden Auftritten?
Moesslang: Reden und Präsentationen sollten nicht nur exzellent geschrieben sein, für ihre perfekte Wirkung muss man sie üben, üben und nochmals üben. Mitt Romney hat das sicherlich intensiv und mit Coaches getan. Auch Steve Jobs, der hervorragend präsentiert hat, hat Reden vorher zwei Tage lang mit dem ganzen Team geübt. Viele machen das leider nicht. Sie lesen sich meist nur nochmal die Folien durch und reden dann frei von der Leber weg. Dadurch kommt es oft zu Längen oder Unsicherheit.
tagesschau.de: Und was wäre der Kardinalfehler?
Moesslang: In irgendeiner Form Langeweile aufkommen zu lassen. Über 80 Prozent der Vorträge und Präsentationen im geschäftlichen Umfeld werden als langweilig bis einschläfernd empfunden. Oft wird kein Wert auf die Dramaturgie gelegt, oder Folien werden einfach abgelesen und nur ein wenig kommentiert. Viel besser ist, einen flüssigen Vortrag zu halten und die Folien nur zur Unterstützung zu verwenden. Oft fehlt auch die Körpersprache oder die Sprechweise ist zu monoton.
"Die Zeit der aggressiven Politiker ist vorbei"
tagesschau.de: Wer fällt denn in der deutschen Politik in seiner Präsentation besonders auf?
Moesslang: Deutsche Politiker betonen Wörter und Sätze ganz häufig mit der schlagenden Hand, mal mit ausgestrecktem Zeigefinger, mal ohne. Es gibt wenige positive Ausnahmen, wo man das nie sieht: Zum Beispiel Kanzlerin Merkel, Horst Seehofer und ganz besonders Karl Theodor zu Guttenberg. Und die wirken dann gleich viel sympathischer als die, die diese aggressive Haltung wählen. Zwar trainieren manche Kollegen das den Politikern bewusst an. Ich bin aber der Meinung, dass die Zeit der "aggressiven" Politiker vorbei ist. Heute ist Sympathie der entscheidende Faktor.
Das herausragendste Beispiel ist zu Guttenberg. Er ist rhetorisch brillant und hat beim Präsentieren keine Fehler gemacht. Er hat nie jemanden direkt angegriffen, immer mit Humor und diplomatisch-deutlichen Aussagen gearbeitet. Und zeigt dazu eine hervorragende Körpersprache und Mimik.
tagesschau.de: Und was halten Sie von Angela Merkels Handdreieck?
Moesslang: Ich nenne es das Merkel'sche Dach. Es ist ja inzwischen ihr Markenzeichen. Aber es wirkt künstlich. Ich habe aber mal in einem Interview gelesen, warum sie das macht. Ihre Schwester ist Ergotherapeutin und hat ihr gesagt, durch diese Handhaltung würde sie eine bessere Körperhaltung und Körperspannung bekommen. Das glaube ich zwar nicht, aber aus diesem Grund hat sie es sich wohl antrainiert. Aber ihr aktueller Coach versucht, soweit ich weiß, ihr das abzugewöhnen, weil es einfach nicht so gut ankommt.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de