Nach Messerattacke Warum Assad zu Solingen schweigt
Der mutmaßliche Täter von Solingen kam aus Syrien. Doch während bei Syrern in Deutschland die Angst vor Ausgrenzung und Abschiebung wächst, berichten die staatlichen Medien in Syrien kaum.
Den staatlichen Medien in Syrien war der Terrorangriff in Solingen kaum eine Meldung wert - auch nicht die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter aus Syrien kam. Der syrische Sicherheitsexperte Navvar Saban hat dafür eine einfache Erklärung: Für Diktator Bashar al-Assad habe der ganze Fall überhaupt nichts mit Syrien zu tun. Ihm sei es egal, ob ein Syrer in Deutschland einen Anschlag begangen habe, so Saban: "Seit 2013, 2014 behandelt er alle Menschen aus Gegenden, die nicht unter seiner Kontrolle sind, als wären sie keine Syrer."
Saban arbeitet für einen Thinktank in der Türkei. Er lebt im Exil, wie fast alle, die sich kritisch mit dem Regime in Damaskus auseinandersetzen.
Syrer in Deutschland besorgt
Ausschließlich Exilmedien gehen ausführlich auf die Tat in Solingen ein. Für den Sender Syria TV mit Sitz in Istanbul berichteten Reporter live aus Deutschland. Sie betonten, wie groß der Ärger nach dem Messerangriff in Deutschland sei - in der Politik, der Bevölkerung und auch in den Medien. Der Sender ging ebenfalls auf die Sorgen der Syrer in Deutschland ein, ihre Angst vor den möglichen Reaktionen auf das Verbrechen von Solingen.
Sie befürchten zweierlei: einerseits, in Deutschland ausgegrenzt zu werden und im Mittelpunkt einer Debatte zu stehen, die sich darum dreht, wie gefährlich Migranten seien. Anderseits ist es die Diskussion über mögliche Abschiebungen nach Syrien, die ihnen Sorge bereitet.
Der Journalist Abdallah al-Ghadawi nennt mehrere Fälle von Rückkehrern nach Syrien, von denen niemand weiß, wo sie sich jetzt befinden. Er befürchtet, dass sie in den Foltergefängnissen des Assad-Regimes gelandet sind. Alle Flüchtlinge aus Syrien würden von Machthaber Assad als Terroristen angesehen, sagt al-Ghadawi. Das sei ein wesentlicher Teil des Narrativs des syrischen Regimes.
Wenig Interesse Assads an Rückkehr der Flüchtlinge
Wenn sich Deutschland oder andere europäische Staaten tatsächlich durchringen sollten, mit dem Regime in Damaskus über die Abschiebung von syrischen Straftätern zu verhandeln, dann dürften das komplizierte Gespräche werden. Assad selbst hat mehrfach deutlich gemacht, dass er wenig Interesse an einer Rückkehr der Flüchtlinge hat. Bereits 2017 sagte er über die Folgen des Krieges und die Massenflucht aus Syrien: "Wir haben die Besten unserer Jugend verloren, das stimmt. Aber wir haben eine gesündere, homogenere Gesellschaft gewonnen."
Zwar stellt sich Assad als den einzigen dar, der die Terroristen der IS-Miliz effektiv bekämpft. Fachleute halten das jedoch für Propaganda. Der Darstellung des Assad-Regimes widerspreche, dass IS-Zellen auch in Gebieten unter Regime-Kontrolle weiterhin aktiv seien.
Der Journalist Abdallah al-Ghadawi stammt aus Deir-al-Zor, dem gleichen Ort wie der mutmaßliche Attentäter von Solingen. Ihm tut es im Herzen weh, dass sein Ort nun in Deutschland als Hotspot des Terrors angesehen wird. Die Leute aus seiner Heimat hätten einen hohen Preis gezahlt im Kampf gegen den IS. Hunderttausende seien vor den Dschihadisten geflohen. "Die Menschen in Deir al-Zor wissen wirklich, was Terrorismus bedeutet“, sagt al-Ghadawi.
Am Wochenende, erzählt er, wollen Syrer in mehreren Städten Deutschlands gegen den IS und gegen Terrorismus demonstrieren. Er hofft, dass sich möglichst viele beteiligen.