Die Jagd nach der Wahrheit Wie eine deutsche Fregatte Piraten und Beweise sucht
Piratenüberfälle auf Handelsschiffe - ein großes Problem am Horn von Afrika. Im Rahmen der EU-Militäraktion "Atalanta" kreuzt auch die Fregatte "Rheinland-Pfalz" im Golf von Aden.
Von Christian Thiels, ARD-Hauptstadtstudio, zzt. im Golf von Aden
Nein, leicht ist die Aufgabe von Uwe Althaus nicht. Er ist so etwas wie das rechtsstaatliche Gewissen auf der "Rheinland-Pfalz". Der Mann in der Tropentarnuniform hat ein sonnengebräuntes Gesicht, die Haare werden langsam dünner und mit dem Dienstgrad eines Fregattenkapitäns sieht er gar nicht aus, wie man sich so landläufig einen Staatsanwalt vorstellt. Doch im Grunde nimmt er genau diese Aufgabe wahr. Er muss den Kapitän der deutschen Fregatte "Rheinland-Pfalz" beraten, wenn es um die Festnahme von vermeintlichen Piraten geht. Und dabei muss Althaus vor allem Indizien bewerten.
Sieben Handelsschiffe derzeit in Piratenhand
"Eine Leiter auf dem Vorderdeck eines jener kleinen Boote, die durch den Golf von Aden schippern, kann so ein Indiz sein", erklärt der Jurist. Die Bordwände sind hoch bei Handelsschiffen und Piraten nutzen zum Entern immer wieder auch Aluleitern, wie sie in auch in jedem deutschen Baumarkt zu bekommen sind. Ein Beweis ist die Leiter natürlich nicht. Auch Waffen auf einem Boot müssen kein Hinweis auf Piraterie sein - schließlich wollen sich auch Fischer in der Region vor Überfällen schützen.
Und genauso müssen Fische auf einem Boot kein untrüglicher Hinweis auf einen harmlosen Seefahrer sein. "Fische kann sich jeder für den Fall des Falles als Tarnung aufs Deck legen", sagt Elmar B., der Erste Schiffseinsatzoffizier der "Rheinland-Pfalz". Seinen vollen Namen darf er nicht nennen, er leitet die Operationszentrale, das Gehirn des Schiffes. Dort laufen alle Informationen zusammen. Sieben Handelsschiffe befinden sich derzeit in den Händen von Seeräubern. Deren Taktik, erklärt Elmar B., werde immer ausgefeilter: "Die kapern das Schiff, fahren es an einen ausgemachten Treffpunkt, wo es dann von einer anderen und deutlich umfangreicheren Crew übernommen wird und weiter geht’s dann nach Somalia."
Das Einsatzgebiet: neun mal so groß wie Deutschland
In einem Gebiet, das neun mal so groß ist wie Deutschland, ist es auch Glückssache, Seeräuber zu erwischen. Selbst wenn die Soldaten der europäischen Anti-Piraterie-Mission "Atalanta" tatsächlich einen Verdächtigen aufgreifen, müssen die Beweise eindeutig sein, sagt Althaus: "Wir können nicht den Rechtsstaat aufgeben, um ein Zeichen zu setzen, nach dem Motto: jetzt hauen wir mal dazwischen und nehmen einfach mal jemanden fest - auch ohne Beweise."
Das war an Weihnachten, als Althaus noch auf der Fregatte "Karlsruhe" Dienst tat, völlig anders. Eigentlich war alles eindeutig - ein Notruf eines Handelsschiffes, der Helikopter der "Karlsruhe" startete und erwischte das Boot mit den Angreifern. Eine Stunde lang hielt der Bordschütze des Hubschraubers die Verdächtigen mit seinem 12,7-Millimeter-Maschinengewehr in Schach - bis die Fregatte vor Ort war. Doch dann musste Kapitän Hans-Joachim Kuhfahl die Seeräuber laufen lassen - trotz erdrückender Beweise. In Berlin wollten sie nicht, dass Kuhfahl die Piraten dauerhaft festhält. Es sei kein deutsches Interesse betroffen gewesen, so die offizielle Begründung. "Die Soldaten auf unserem Schiff waren natürlich enttäuscht", erzählt Althaus.
Im Zweifel: laufen lassen
Sein jetziger Kapitän auf der "Rheinland-Pfalz", Markus Rehbein, hat eine solche Situation noch vor sich. Rehbein ist ein knorriger Kerl, jemand, der seine Mission sehr ernst nimmt. Die juristische Lage hat sich auch für ihn seit Dezember nicht geändert. Im Zweifel muss auch Rehbein mutmaßliche Piraten wieder laufen lassen. Ein Offizier an Bord der Fregatte bringt die Lage seines Kapitäns auf den Punkt: "Deshalb muss sich der doch sehr genau überlegen, ob er überhaupt jemanden festnimmt". Rehbein selbst sagt, dass man das im Zweifel seinen Leuten dann eben "gut erklären" müsse, aber glücklich wirkt er dabei auch nicht wirklich.
Zuspruch bekommt der Kapitän der "Rheinland-Pfalz" an diesem Tag vom Generalinspekteur der Bundeswehr. Wolfgang Schneiderhan ist zu Besuch auf der Fregatte "Rheinland-Pfalz", lässt sich lange informieren und spricht mit der Besatzung. Der höchste Soldat der Bundeswehr lobt die "ehrlichen Worte" des Kommandanten und er meint damit wohl, dass Rehbein ihm das Herz ausgeschüttet hat. Schneiderhan weiß, dass der Kapitän vor einer schwierigen Aufgabe steht, dass er Piraten womöglich wieder laufen lassen muss. Und er kann wenig ermutigendes dazu sagen: "Diese Entscheidungen kann ich ihnen auch nicht abnehmen."