Ermittlungen zu Anschlägen von Paris Was wir bis jetzt sicher wissen
Wer waren die Attentäter von Paris? Kam der mutmaßliche Drahtzieher aus Belgien? Und welche Rolle spielt der "Islamische Staat"? tagesschau.de fasst die wichtigsten Antworten und Fakten zusammen.
Was ist passiert?
Bei der Terrorserie in Paris eröffneten am Freitagabend nahezu zeitgleich Attentäter das Feuer auf Gäste von Bars und Restaurants rund um die Place de la République sowie auf Besucher eines Konzerts der amerikanischen Indie-Band Eagles of Death Metal in dem Konzertsaal Bataclan. Zuvor hatten mehrere Explosionen die Umgebung des Fußballstadions Stade de France im Norden der Stadt erschüttert. Dort fand ein Freundschaftsspiel zwischen der deutschen und der französischen Nationalmannschaft statt.
Wie viele Opfer gibt es?
Nach offiziellen Angaben der Staatsanwaltschaft von Paris sind mindestens 129 Menschen getötet worden - 89 allein im Konzertsaal Bataclan, 40 starben an den anderen Anschlagsorten. 352 Menschen seien verletzt worden. 42 von den Verletzten befinden sich noch in kritischem Zustand - dementsprechend könnte die Totenzahl noch steigen. Inzwischen ist auch klar, dass zwei Deutsche unter den Todesopfern sind. Ob auch Deutsche verletzt wurden, ist noch unklar.
Wie liefen die Anschläge ab?
Die Attentatsserie begann am Freitagabend gegen 21.20 Uhr. Die Terroristen schlugen an sechs Orten in Paris und dem Vorort Saint-Denis koordiniert zu. Vor dem Stade de France, in dem zu diesem Zeitpunkt die erste Hälfte des Freundschaftsspiels Frankreich gegen Deutschland lief, explodierten drei Sprengsätze - an zwei Eingängen zum Stadion sowie bei einem McDonald's-Restaurant in der Nähe. Die Explosionen waren auch im Stadion zu hören und sorgen dort unter den rund 80.000 Zuschauern zunächst für Unruhe, später für Panik. Das Fußballspiel wurde nicht unterbrochen, um eine Massenpanik zu vermeiden.
In der Nähe der Place de la République fuhren die Attentäter mit Autos vor mehreren Restaurants vor und schossen mit Kalaschnikows zunächst wahllos auf Gäste, die auf den Außenplätzen saßen. Ein Attentäter drang in ein Café ein und sprengte sich in die Luft.
Im Bataclan hatten die Eagles of Death Metal etwa eine halbe Stunde gespielt, als drei Attentäter begannen, wahllos in die Menge zu schießen. Der Veranstaltungsort war mit 1500 Plätzen ausverkauft. Augenzeugen berichten später, die Schützen hätten ihre Gewehre auch auf am Boden liegende Menschen gerichtet. Viele Gäste konnten fliehen, bevor die Attentäter Geiseln nahmen. Andere versteckten sich mehrere Stunden lang in dem Gebäude. Es folgte eine fast dreistündige Geiselnahme in dem Konzertsaal am Boulevard Voltaire. Um kurz vor halb eins stürmten Einsatzkräfte der Polizei den Saal. Als die Polizei einrückte, sprengten sich zwei Geiselnehmer mit Sprengstoffgürteln in die Luft, einer wurde von der Polizei erschossen.
Was ist über die Attentäter bekannt?
Die genaue Zahl der Angreifer ist noch nicht bekannt. Die schwierige Frage bleibt, wie viele Terroristen noch flüchtig sind. Denn im Pariser Vorort Montreuil fand die Polizei am Wochenende einen schwarzen Seat. In dem Wagen entdeckten die Ermittler drei Kalaschnikows - von den Fahrern fehlte jedoch jede Spur.
Sicher ist, dass sieben Täter tot sind. Für die Ermittler steht fest, dass die Terroristen in drei gut koordinierten Gruppen vorgegangen sind. Nach bisherigen Erkenntnissen sprengten sich drei Selbstmordattentäter in der Nähe des Stade de France in die Luft. Im Bataclan zündeten zwei Attentäter ihre Sprengstoffweste, ein dritter Täter wurde von der Polizei erschossen. Der siebte Terrorist verübte einen Selbstmordanschlag auf dem Boulevard Voltaire.
Einer der getöteten Terroristen konnte anhand seines Fingerabdrucks als Franzose identifiziert werden: Es handelt sich um den 1985 im Süden von Paris geborenen Omar Ismail Mostefai, der in den vergangenen Jahren acht Mal wegen "gewöhnlicher" Straftaten verurteilt worden. Der französische Inlandsgeheimdienst führte ihn auf einer Liste verdächtiger Personen. Er war einer der Männer, die den Konzertsaal Bataclan angegriffen hatten. Die Zeitung "Le Monde" berichtet, Mostefai sei "sehr wahrscheinlich" im Winter 2013/2014 einige Monate in Syrien gewesen.
Ein weitere Selbstmordattentäter aus dem Bataclan stand schon einmal wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung unter Verdacht. Gegen den 1987 in Drancy bei Paris geborenen Samy Amimour wurde wegen einer versuchten Reise in den Jemen 2012 ermittelt. Die Polizei suchte ihn mit internationalem Haftbefehl.
Einer der Täter, der sich am Stade de France in die Luft sprengte, hatte einen syrischen Pass, ausgestellt auf den Namen Ahmad al-Mohammad, geboren 1990 im syrischen Idlib. Der Passinhaber hatte sich laut griechischer Regierung am 3. Oktober auf der Insel Leros als Flüchtling registriert. Der dort abgenommene Fingerabdruck passt zu einem am Tatort gefundenen abgetrennten Finger und der Attentäter war der einzige Getötete an diesem Ort. Bislang kann die französische Polizei aber nicht ausschließen, dass der Ausweis gefälscht ist.
Unter Berufung auf einen Ordner vom Stade de France und einen Polizisten berichtete das "Wall Street Journal", dass mindestens ein Attentäter ein Ticket für das Spiel Frankreich gegen Deutschland hatte. Demnach sei etwa 15 Minuten nach Anpfiff am Stadioneingang bei dem Mann eine Sprengstoffweste entdeckt worden. Beim Versuch zu entkommen, habe er sich in die Luft gesprengt.
Ein weiterer Selbstmordattentäter, der am Stadion eine Bombe zündete, war Bilal Hadfi. Der 20-Jährige soll schon in Syrien für den IS gekämpft haben.
Der Mann, der sich am Boulevard Voltaire in die Luft sprengte, ist nach Informationen aus Ermittlerkreisen der 31 Jahre alte Brahim Abdeslam.
Zwei weitere getötete Täter sind als französische Staatsbürger identifiziert. Sie wohnten in Brüssel. Mehr ist noch nicht bekannt.
Welche Spuren führen nach Belgien?
Nach französischen Erkenntnissen sind die Attentate von Islamisten in Syrien organisiert und geplant worden. Dies gab Premierminister Manuel Valls am Montag bekannt.
Drahtzieher war nach Medienberichten der polizeibekannte Belgier Abdelhamid Abaaoud. Er soll mit zwei der Selbstmordattentäter befreundet gewesen sein und laut Medien in Syrien gekämpft haben sowie in IS-Propagandavideos aufgetreten sein. Der Name eines Selbstmordattentäters von Paris tauche in mehreren Strafverfahren aus den Jahren 2010 und 2011 zusammen mit dem von Abdelhamid Abaaoud auf, berichten die flämischen Zeitungen "De Standaard" und "Het Nieuwsblad" am Montag unter Berufung auf belgische Sicherheitsdienste. Abaaoud gilt bereits als der meistgesuchte Islamist Belgiens. Er soll sich zuletzt in Syrien aufgehalten haben. Früher lebte er in dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek.
Der Verdächtige Salah Abdeslam wird von der französischen Polizei per internationalem Haftbefehl gesucht. Auf den Namen des 26-Jährigen wurde der schwarze VW Polo gemietet, mit dem die Täter zum Bataclan fuhren. Salah wurde in Brüssel geboren. Er und mehrere Begleitpersonen aus Brüssel gerieten kurz nach den Anschlägen in einem Auto an der Grenze zu Belgien in eine Kontrolle, sie wurden aber nicht festgenommen. Zu dem Zeitpunkt wusste die Polizei, dass er den VW Polo gemietet hatte. Salah ist der jüngere Bruder des Attentäters Brahim. Vor zwei Monaten soll Salah in Deutschland und Österreich gewesen sein.
Die französische Polizei schrieb den 26-jährigen Salah Abdeslam zur Fahndung aus.
Zu den Abdeslam-Brüdern gehört auch Mohamed, der am Wochenende in Belgien festgenommen wurde. Ihn musste die Polizei am frühen Montagnachmittag wieder freilassen, da er ein Alibi für Freitagabend hatte.
Gegen zwei weitere am Wochenende festgenommene Verdächtige wurde hingegen Haftbefehl erlassen. Am Dienstag veröffentlichte die belgische Polizei ihren Namen. Es handelt sich um den 27-Jährigen Mohammed Amri und Hamza Attouh, 21 Jahre alt. Die beiden Männer sollen die belgische Staatsbürgerschaft besitzen und aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek kommen.
Welche Rolle spielt der IS?
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat sich zu der Anschlagsserie bekannt. "Acht Brüder" mit Sprengstoffgürteln und Sturmgewehren hätten einen "gesegneten Angriff" auf das "Kreuzzug-Frankreich" verübt, hieß es in einer Erklärung des IS. Darin wurden die Anschlagsziele in der "Hauptstadt des Ehebruchs und des Lasters" als sorgfältig ausgewählt bezeichnet. Die Erklärung halten Fachleute für echt. Ob sie inhaltlich wahr ist, lässt sich nicht prüfen.
In den vergangenen Monaten hatte der IS Frankreich wiederholt gedroht, weil das Land in Syrien und im Irak gegen die Islamisten kämpft. Die Männer, die das Konzerthaus Bataclan stürmten, sollen laut Augenzeugen "Allahu Akbar", Allah ist groß, gerufen haben.
Seit den Anschlägen von Paris hat die französische Luftwaffe ihr Bombardement von IS-Stellungen in Syrien massiv intensiviert. Die internationale Staatengemeinschaft will zudem versuchen, IS-Finanzströme zu stoppen.