Das Gebäude von "Mossack Fonseca" in Panama-Stadt.

"Mossack Fonseca" Die Fließband-Fabrik für Briefkastenfirmen

Stand: 08.02.2017 14:40 Uhr

In Panama residiert "Mossack Fonseca". Die Firma zeichnet von sich selbst gern das Bild einer seriösen Anwaltskanzlei. Sie scheint jedoch eher eine Art Fließband-Fabrik für Briefkastenfirmen zu sein. Die "PanamaPapers" geben nun tiefe Einblicke in ihr Geschäft. Von C. Baars, J. L. Strozyk.

Fließband-Fabrik für Briefkastenfirmen

Panama ist ein Offshore-Paradies: Zwischen Stränden und Schluchten, Teak-Wäldern und Kaffee-Plantagen gedeiht eine Finanzbranche, deren Dienste bei Kriminellen beliebt und bei Ermittlern gefürchtet sind.

Ein riesiges Datenleck - die "PanamaPapers" - das Hunderte Journalisten weltweit ausgewertet haben, bietet nun einen einmaligen Einblick in die Machenschaften der Branche.

Finanzplatz Panama-Stadt

Das kleine Land in Mittelamerika kombiniert alles, was viele Finanzdienstleister suchen: Eine laxe Steuergesetzgebung, eine an den US-Dollar gebundene und damit stabile Währung und die Möglichkeit, ohne viel Bürokratie eine Firma zu gründen. Seit den 1970er-Jahren führten diese Bedingungen zu einem anhaltenden Boom der Finanzdienstleistungsbranche: Nahezu jede große Bank der Welt hat heute ein Büro in der Hauptstadt. Aber Panama zieht auch diejenigen an, die ihre Dienste bewusst in den juristischen Grauzonen und entlang der Lücken im Gesetz anbieten.

"Mossack Fonseca"

Ein eher unscheinbares Bürohaus im Zentrum von Panama-Stadt. Hier residiert "Mossack Fonseca", einer der weltweiten Marktführer im Geschäft mit Briefkastenfirmen. Die Firma zeichnet von sich selbst gern das Bild einer seriösen Anwaltskanzlei, die Zahlen lassen "Mossack Fonseca" jedoch eher als eine Art Fließband-Fabrik für Offshore-Firmen erscheinen: Mehr als 140.000 Gesellschaften haben die Mossack-Fonseca-Anwälte allein in den Jahren 2000 bis 2014 gegründet - im Schnitt also 25 pro Tag. In den "PanamaPapers" finden sich Angaben zu insgesamt 214.000 Briefkastenfirmen.

Wer sind Mossack und Fonseca?

Der Name "Mossack Fonseca" geht zurück auf die beiden Gründer der Kanzlei: Jürgen Rolf Dieter Mossack (li.) und Ramón Fonseca Mora (re.).

Aus Deutschland nach Panama

Jürgen Mossack stammt aus Deutschland. Im Jahr 1948 wurde er in Fürth geboren. Unter anderem fanden sich auch viele persönliche Dokumente wie seine Geburtsurkunde in dem riesigen Datenleck bei seiner Firma.

Sein Vater Erhard Mossack, unter Hitler Mitglied der Waffen-SS und Rottenführer eines Totenkopf-Regiments, wanderte zu Beginn der 1960er-Jahren nach Panama aus und nahm seine Familie mit. Erhard Mossack arbeitete in Panama als Händler und versuchte offenbar, sich der CIA als Spitzel im Kampf gegen den Kommunismus anzudienen. Das zeigen Dokumente aus dem Archiv des US-Geheimdienstes.

Die Anfänge

Jürgen Mossack schloss 1973 sein Jura-Studium in Panama ab und arbeitete danach für einige Zeit in London als Anwalt, bevor er nach Mittelamerika zurückkehrte und sich dort 1977 als Anwalt selbstständig machte - zunächst alleine. Seinen deutschen Pass behielt er. In seiner Kanzlei wird er offenbar immer einfach "Der Deutsche" genannt.

Die Vision

Jürgen Mossack spricht selten öffentlich. In diesem Video erklärte er 2012 anlässlich des 35-jährigen Firmenjubiläums seine Vision von "Mossack Fonseca".

Der Partner: Ramón Fonseca

1986 stieß der zweite Mann an der Spitze dazu: Ramón Fonseca Mora (re.) wurde 1952 in Panama geboren. Er hat unter anderem in London studiert und in jungen Jahren eine Zeit lang für die Vereinten Nationen in Genf gearbeitet. Fonseca  ist auch als Politiker für Panamas Regierungspartei und als Schriftsteller aktiv. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den Thriller "Mister Politicus", in dem es um skrupellose Machenschaften der Mächtigen geht.

"Ein Monster erschaffen"

Nach dem  Zusammenschluss wuchs "Mossack Fonseca" schnell zu einem Weltkonzern heran. Die Statistik zeigt, wie viele Gesellschaften die Kanzlei vermittelt hat. Mehr als 140.000 Gesellschaften haben die Mossack-Fonseca-Anwälte allein in den Jahren 2000 bis 2014 gegründet, im Schnitt 25 pro Tag.

"Gemeinsam haben wir ein Monster erschaffen", sagte Ramón Fonseca vor einigen Jahren scherzhaft zu einem panamaischen Journalisten.

Längst ist "Mossack Fonseca" über die Grenzen Panamas hinaus aktiv. Zum Zeitpunkt der Recherche gab es 48 Büros oder Vertretungen der Kanzlei, verteilt über alle Kontinente. Die Anwälte gehen dorthin, wo das Geld ist: In die Schweiz, nach Luxemburg, auf die Kanalinseln. Zuletzt setzte "Mossack Fonseca" auf Wachstum in China: Zehn Büros betreibt die Kanzlei mittlerweile dort.

Ein Branchen-Insider berichtet

Ein Insider, der sich bestens mit Briefkastenfirmen auskennt, hat im Interview mit NDR, WDR und "SZ" erläutert, wie die Branche weltweit ihr Geld verdient. Pro Jahr würden geschätzt 250.000 Offshore-Firmen gegründet und je zu 500 bis 1500 US-Dollar verkauft. Darüber hinaus müssten die Kunden jährliche Gebühren zahlen, die um ein Vielfaches höher liegen würden. Allein mit diesen Gebühren werde sehr wahrscheinlich die Milliardengrenze übertroffen. Allein "Mossack Fonseca" machte zuletzt laut Unterlagen aus den "PanamaPapers" einen Umsatz im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich.

Da der Insider unerkannt bleiben will, wurde seine Stimme nachgesprochen.

04.04.2016 12:00 Uhr

Fonsecas Rücktritt

Im Januar 2016 wurden sechs Mitarbeiter von "Mossack Fonseca" in Brasilien verhaftet, weil sie in einen Korruptionsskandal verwickelt sein sollen. Kurz darauf konfrontierten Journalisten des "PanamaPapers"-Projekts Mossack und Fonseca mit den Rechercheergebnissen, schickten ihnen Fragen dazu. Unmittelbar danach trat Fonseca als stellvertretender Vorsitzender der panamaischen Regierungspartei zurück. Er behauptete, dass sich die Journalisten gegen "Mossack Fonseca" und Panama verschworen hätten. Seine Firma und er selbst seien unschuldig.

Niue - das "Mossack Fonseca"-Land

"Mossack Fonseca" hat in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nicht nur Steueroasen weltweit für sich genutzt, sondern sogar mithilfe einer willigen Regierung einen neuen Offshore-Standort erschaffen.

Niue, eine kleine Insel im Südpazifik, wurde 1996 zum neuen "Mossack Fonseca"-Land. Die Anwälte drängten die Regierung dazu, ihr Konzept vom Briefkasten-Geschäft in die Gesetze zu schreiben. "Mossack Fonseca" stellte einen Geldsegen für die etwa 1200 Einwohner von Niue in Aussicht.

"Mossack Fonseca" bekam von der Regierung auf Niue das alleinige Recht, Gesellschaften zu eröffnen und zu vermitteln. Weitere Lizenzen gab es nicht, "Mossack Fonseca" hatte sich ein Monopol erschaffen. Das Offshore-Geschäft in Niue boomte. Die Insel ist laut einem Prospekt von "Mossack Fonseca" das kleinste selbstregierte Land der Welt - und hatte auf einmal mehrere Tausend Firmen.

Das Ende vom Offshore-Paradies

Doch zwischen 2004 und 2006 zerschellte der Offshore-Traum. Erst fegte der Zyklon "Heta" über Niue - für Tage war die Insel ohne Strom, auch das Büro von "Mossack Fonseca" wurde beschädigt.

Dann - knapp zwei Jahre später - setzten Berichte über Korruption und Geldwäsche den Mini-Staat unter Druck: Verbrechenssyndikate und Drogenkartelle sollen den Inselstaat genutzt haben. Internationale Sanktionen wurden verhängt, Niue machte einen Rückzieher. Ende 2006 wurde das Gesetz umgeschrieben. "Mossack Fonseca" zog weiter, unter anderem nach Samoa.

Branchen-Insider

Das Weiterziehen von einem Paradies zum nächsten, wird offenbar als Teil des Geschäftsmodells angesehen. Der Brancheninsider berichtet, dass die Anbieter von Offshore-Produkten kreativ genug seien, immer wieder neue Strukturen zu entwickeln, um das Geld von Reichen und Superreichen vor dem Zugriff von Steuerbehörden zu sichern. Man wandere dorthin, wo das Bankgeheimnis garantiert sei, die Steuersätze gegen Null tendierten sowie die Strände weiß, die Golfplätze grün seien und das ganze Jahr über die Sonne scheine.

04.04.2016 12:00 Uhr

Weitere Informationen

Ihren Hauptsitz hat "Mossack Fonseca" immer in Panama behalten. Von hier aus steuerten sie fast 40 Jahre lang ein gigantisches System von Offshore-Firmen und intransparenten Konstrukten.

Credits

Autoren: Christian Baars, Jan Lukas Strozyk

Redaktion: Julia Stein, Stephan Wels