"PanamaPapers" Fußball-Funktionäre nutzten Briefkastenfirmen
Zahlreiche Fußball-Funktionäre nutzen nach den "PanamaPapers"-Recherchen Briefkastenfirmen, um Bargeld und Jachten zu verstecken und Geschäfte zu machen. An der Schnittstelle sitzt ausgerechnet ein Anwalt, der auch in der FIFA-Ethikkommission für Aufklärung sorgen soll.
Es war mutmaßlich um Weihnachten 2007, als Michel Platini beschloss, eine Offshore-Gesellschaft zu kaufen. Der ehemalige Mittelfeld-Star aus Frankreich war damals seit Anfang des Jahres Präsident des Europäischen Fußballverbandes UEFA. Am 27.12.2007 wurde die Schweizer Privatbank "Banque Baring Brothers Sturdza" (BBBS) bei der Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca" vorstellig. Das belegen die "PanamaPapers", ein riesiger Datensatz aus dem Innersten jener Kanzlei. Die Daten wurden der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt, die sie mit NDR, WDR und dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) gemeinsam ausgewertet hat.
Paket für unsichtbare Geldgeschäfte für Platini
Man habe sich entschlossen, schrieb die Bank BBBS damals, die Firma "Balney Enterprises Corp." zu erwerben und bitte nun schnellstmöglich um die nötigen Unterlagen - unter anderem um eine Generalvollmacht, ausgestellt auf den Namen Michel Platini, wohnhaft in einem Ort oberhalb des Genfer Sees. "Mossack Fonseca" kam dem Wunsch nach und stellte auch die Scheindirektoren der Firma. Sie dienen dazu, den wahren Eigentümer zu verschleiern.
Als Inhaber der "Balney" ließ Platini keinen Namen eintragen, stattdessen ließ er eine Inhaberaktie ausstellen. Die Firma gehörte damit demjenigen, der die Aktie - nicht mehr als ein Blatt Papier - in seinem Besitz hatte. Diese Art der Aktie ist vor allem bei denjenigen beliebt, die - aus welchem Grund auch immer - ihren Namen nicht in Zusammenhang mit einer Firma bringen wollen. Mittlerweile sind diese selbst in Panama nur noch eingeschränkt erlaubt. Platini sagte auf Anfrage, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Privatangelegenheit handle, die in keinem Zusammenhang mit Geldern der FIFA oder der UEFA stehe. Er habe sich juristisch einwandfrei verhalten.
Eine Firma, eine Aktie, eine Vollmacht - fehlte nur noch ein Bankkonto und das Startpaket für nahezu unsichtbare Geldgeschäfte ist komplett. Das Konto stellte die BBBS zur Verfügung, Kontonummer 118.575.0, Kontoinhaber "Balney Enterprises Corp.". Danach wurde es still um die Firma. Nur einmal zückten die Scheindirektoren von "Mossack Fonseca" noch den Stift: Die Generalvollmacht für Platini musste erneuert werden. Von diesem Zeitpunkt an bekam offenbar auch "Mossack Fonseca" nicht mehr mit, was Platini mit dem Bankkonto und der Firma machte - theoretisch ist die Konstruktion geeignet, um anonym Gelder zu empfangen oder zu versenden. Ob in diesem Fall illegale Geschäfte gemacht worden sind, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.
Platini sagte auf Anfrage, er habe keine seiner Konten verheimlicht und sei steuerlich sauber. Sicher belegen lässt sich nur: Zum Zeitpunkt der Recherche ist "Balney Enterprises Corp." im Handelsregister von Panama weiterhin als aktiv eingetragen. "Mossack Fonseca" ist offenbar nicht von der Zusammenarbeit zurückgetreten, obwohl Platini im Dezember 2015 zu einer Strafzahlung von 80.000 Schweizer Franken durch die FIFA-Ethikkommission verurteilt worden ist. Platini konnte nicht ausreichend erklären, warum er im Februar 2011 zwei Millionen Schweizer Franken in bar von dem damaligen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter erhalten hatte.
Ex-FIFA-Generalsekretär nutzte Offshore-Dienstleister für Jacht
Im Fall von Jérôme Valcke hat "Mossack Fonseca" anders entschieden und eine Geschäftsbeziehung aufgekündigt. Der ehemalige FIFA-Generalsekretär hatte den Offshore-Dienstleister genutzt, um seine 32-Meter-Jacht in einer Gesellschaft unterzubringen. Im September 2015 wurde der Vertraute Blatters von seinen Ämtern suspendiert, kurz darauf wurde er von der FIFA für zwölf Jahre gesperrt. Mittlerweile ermittelt auch die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen Korruption gegen Valcke, sein Anwesen wurde im März 2016 durchsucht. Als die ersten Ermittlungen bekannt wurden, ließ "Mossack Fonseca" seine Direktoren von Valckes Firma zurücktreten. Valcke erklärte auf Anfrage mehrerer an den Recherchen beteiligter Medien, sie könnten "publizieren, was sie wollen" und dass die "Gesellschaft nicht länger existiert und nie eigene Gelder oder Konten hatte oder geschäftlich aktiv gewesen ist".
Eine 32-Meter-Jacht brachte Ex-FIFA-Generalsekretär Valcke in einer Offshore-Gesellschaft unter.
Im Vergleich zu den Vorwürfen gegen Eugenio Figueredo wirken eine versteckte Jacht und die ungeklärte Übergabe von zwei Millionen Schweizer Franken wie eine Randnotiz. Figueredo, 83-jähriges Fußball-Urgestein aus Uruguay und ehemaliger FIFA-Vizepräsident, soll sich gemeinsam mit anderen südamerikanischen Funktionären an Schmiergeldzahlungen in Höhe Dutzenden Millionen US-Dollar bereichert haben. Das wirft ihm das FBI vor, auf dessen Drängen hin Figueredo im vergangenen Jahr in der Schweiz verhaftet worden ist. In einem weiteren Fall, der in seiner Heimat Uruguay verhandelt wird, hat Figueredo seine Beteiligung an Betrug und der Geldwäsche eingeräumt.
Elf Briefkastenfirmen für ehemaligen Vizepräsidenten
In den "PanamaPapers" finden sich gleich elf Firmen, über die Figueredo verfügte. Der ehemalige FIFA-Vize nutzte die Firmen nicht alleine, sondern baute sich ein Netz an Vertrauten: In den Unterlagen finden sich Vollmachten für seine Frau, mehrere Anwälte und Berater und sogar einen Architekten, mit dem Figueredo offenbar Immobilienprojekte entwickelte. Dazu hielt er über seine Briefkastenfirmen Bankkonten, Beteiligungen an einem Hotel der Luxuskette "Hyatt" in Uruguays Hauptstadt Montevideo, und er nutze sie mutmaßlich, um anonym Kredite in den Verein "Huracan Buceo" zu pumpen - bei jenem Team ist Figueredo groß geworden, war jahrelang Spieler und später Präsident. Figueredo äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Gesellschaften.
Mit Hilfe der Unterlagen lassen sich auch einige Verträge der südamerikanischen Fußball-Konföderation CONMEBOL rekonstruieren. Die CONMEBOL ist für Südamerika so etwas wie die UEFA für Europa: Ausrichter der großen Turniere wie dem Copa Libertadores, das südamerikanische Pendant zur Champions League, und Dachverband für zehn Fußball-Landesverbände, darunter Argentinien und Brasilien. Aus den Dokumenten geht hervor, dass ihr ehemaliger Generalsekretär Eduardo Deluca und ihr ehemaliger Präsident Nicolás Leoz Verträge mit Firmen unterzeichnet haben, die laut den Ermittlungen des FBI Bestechungsgelder gezahlt haben sollen. Beide Männer wurden im November 2015 in den USA im Zuge des FIFA-Skandals angeklagt. Einer der Verträge sicherte der Briefkastenfirma eines Geschäftsmanns die Vermarktungsrechte für den Copa Libertadores in den Jahren 2008 bis 2018, im Gegenzug bezahlte der Mann knapp 100 Millionen US-Dollar an die CONMEBOL. Der gleiche Geschäftsmann soll laut FBI jahrelang regelmäßig sechsstellige Schmiergeldzahlungen an Deluca, Leoz und anderer Offizielle des Verbandes gezahlt zu haben.
Die Spinne im Netz der Offshore-Verstrickungen
Wie eine Spinne im Netz der FIFA-Offshore-Verstrickungen sitzt der Anwalt Juan-Pedro Damiani aus Uruguay. In seiner Kanzlei "JP Damiani & Associates" nahmen viele der zweifelhaften Geschäfte ihren Anfang: Sie verwaltete mindestens sieben der Firmen von Ex-FIFA-Vize Eugenio Figueredo, beriet den CONMEBOL-Mann Deluca und trat als Zwischenhändler für eine Briefkastengesellschaft in Nevada auf, die Hugo Jinkins und seinem Sohn Mariano zugerechnet wird. Sie sollen laut FBI mehrere zehn Millionen US-Dollar an Bestechungsgeld gezahlt haben, um ihren Unternehmen die Übertragungsrechte für FIFA-Veranstaltungen in Lateinamerika zu sichern. Mariano und Hugo Jinkis waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Ausgerechnet ein Mitglied der Ethik-Kommission der FIFA ist tief verstrickt in Offshore-Aktivitäten.
Ehtik-Kommissionsmitglied vermittelte Briefkastenfirmen
Damiani ist innerhalb der FIFA ohnehin kein Unbekannter. Er sitzt für den Fußball-Weltverband in der sogenannten Ethik-Kommission, die unter anderem darüber entscheidet, ob ein Funktionär gesperrt wird. Auch über die Sperre von Figueredo hat die Ethikkommission entschieden, Damiani war allerdings von der Abstimmung ausgeschlossen: Beide stammen aus Uruguay, die FIFA-Regularien erlauben in einem solchen Fall kein Votum.
Zur Klientel von "JP Damiani & Associates" gehörten aber nicht nur große Sportfunktionäre. Die Kanzlei ist einer der wichtigsten Vermittler für "Mossack Fonseca"-Firmen in Südamerika. Rund 400 Gesellschaften finden sich in den Unterlagen, die "JP Damiani & Associates" eröffnet hat - für einen argentinischen Botschafter, für Geschäftsleute aus dem engsten Umfeld der argentinischen Ministerpräsidentin Cristina Kirchner und sogar für einen hochrangigen Mitarbeiter der argentinischen Steuerbehörde AFIP.
Auch für sich selbst hat Damiani offenbar vorgesorgt. In mehreren Briefkastenfirmen ist er als wirtschaftlich Berechtigter eingetragen. Wozu genau er die Firmen nutzt, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Damiani erklärte, dass seine Kanzlei aktuell keine Geschäftsbeziehungen zu den in den USA angeklagten Funktionären führe. Weitere Fragen, auch zu vergangenen Geschäftsbeziehungen, beantwortete er nicht.