Corona-Krise Österreich beginnt mit Lockerungen
Schrittweise soll es in Österreich Richtung "neue Normalität" gehen. Baumärkte, Gartencenter und kleine Geschäfte dürfen ab heute wieder öffnen. Kanzler Kurz mahnt die Bürger zu Disziplin.
Die schwere Flügeltür ist wieder offen und gibt den Blick frei in Michael Pauls kleinen Laden im siebten Wiener Bezirk. Der Shop ist auf Skatermode spezialisiert und war fast vier Wochen lang zu. Ein bisschen was konnte das Onlinegeschäft noch retten.
Doch unterm Strich bleiben fast 80 Prozent Umsatzeinbußen, sagt der 44-jährige Ladenbesitzer durch seine eng anliegende Mund-Nasen-Maske:
Was noch dazu kam, war ja diese Ungewissheit, wann es wieder losgeht. Man hat sich ja irgendwie von einer Woche zur nächsten gehangelt. Für uns war diese Ungewissheit ein richtig schwieriger Punkt, weil wir überhaupt nicht planen konnten und nicht wussten, wann es wieder losgeht und wann wir wieder hochfahren können.
Ab heute ist es soweit. Zunächst dürfen Geschäfte wie der Skateshop von Michael Paul öffnen, die kleiner sind als 400 Quadratmeter. Außerdem Gartencenter und Baumärkte. In einem zweiten Schritt sollen ab dem 1. Mai alle anderen Geschäfte und Friseure aufmachen dürfen.
"Behutsam Richtung neue Normalität"
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte dazu im ORF-Fernsehen: "Wir versuchen, ganz behutsam wieder in Richtung Normalität oder neuer Normalität zurückzukehren. Das wird uns nur gelingen, wenn wir weiter alle diszipliniert bleiben."
Die Botschaft ist klar: Im Gegenzug für die schrittweise Öffnung müssen sich die Menschen in Österreich auf eine Reihe neuer Regeln einstellen. Ab heute gilt sowohl im Handel als auch im öffentlichen Nahverkehr die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Außerdem ist der Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter überall vorgeschrieben.
20 Quadratmeter Platz für jeden Kunden
Der Handel muss zudem sicherstellen, dass jedem Kunden eine Fläche von mindestens 20 Quadratmetern zur Verfügung steht. Bis mindestens Ende April dürfen die Menschen in Österreich nach wie vor nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Straße: etwa um einzukaufen oder spazieren zu gehen, Hilfsbedürftige zu versorgen oder wichtige Arbeit zu erledigen.
Eine schrittweise Öffnung im Tausch für mehr Disziplin? Damit sind einige Wiener Bürger einverstanden: "Ich finde das richtig. Mit gewissen Vorsichtsmaßnahmen ist das okay. Das war in Österreich schon sehr krass, ein bisschen krasser als in Deutschland", sagt ein Passant. Und eine Frau ergänzt: "Es muss halt weitergehen. Ich glaube, man muss halt gut beobachten, dass es nicht schnell wieder nach oben geht."
Tatsächlich geht die Zahl der Neuinfektionen in Österreich seit Tagen zurück. Und seit Ostersonntag ist mehr als die Hälfte der positiv getesteten Menschen wieder genesen. Andererseits hat eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des Wissenschaftsministeriums hochgerechnet, dass Anfang April lediglich um die 0,33 Prozent der Menschen in Österreich mit dem Coronavirus infiziert waren.
Gesundheitsminister spricht von großer Herausforderung
Gesundheitsminister Rudolf Anschober sieht darin zwar eine Bestätigung der Strategie, die Zahl der Erkrankten möglichst niedrig zu halten, gibt aber zu bedenken: "Jetzt wird die zweite Etappe eine ganz große Herausforderung. Denn es gilt, eine gesicherte, kontrollierte, schrittweise Öffnung zu ermöglichen, ohne dass die Zahlen nach oben gehen."
Skateshopbesitzer Michael Paul darf seinen Laden heute zwar wieder aufmachen. Langfristig planen kann er aber immer noch nicht. Ein bisschen Optimismus hat er sich aber bewahrt:
Die Leute haben in den vergangenen vier Wochen gesehen, wie es ist, mehr oder weniger eingesperrt zu sein. Und ich glaube, die haben keinen Bock mehr auf sowas. Also werden die sich vielleicht doch so weit wie möglich an die ganzen Maßnahmen halten, damit wir nicht noch mal einen Lockdown haben. Aber wer weiß das schon?