EU-Abschlussbericht zur NSA-Affäre Den USA den Datenhahn zudrehen?
So nicht, lautet das deutliche Fazit einer Arbeitsgruppe des EU-Parlaments zur NSA-Affäre. Als Konsequenz solle der Datentransfer mit den USA vorerst ausgesetzt werden. Außerdem wird eine Befragung des Whistleblowers Snowden gefordert.
Die aufgedeckten Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Europa müssen nach Ansicht von sechs EU-Parlamentariern Konsequenzen haben. Sie sind Mitglieder einer Arbeitsgruppe, die damit beauftragt war, die Aktivitäten der NSA zu untersuchten.
"Ich bin schon überrascht gewesen ob dieses Ausmaßes an Daten-Absaugen von allen möglichen Stellen", sagte der CDU-Abgeordnete Axel Voss. Und recht ähnlich klingt der Vertreter der Grünen, Jan Philipp Albrecht: "Es ist eine Massen-Überwachung unser aller Kommunikations-Daten."
"Jeden EU-Bürger wie Verdächtiger behandelt"
Im Abschlussbericht zu ihrer sechsmonatigen Untersuchung äußert die Arbeitsgruppe daher scharfe Kritik an den USA. Grundsätzlich führten die Spähaktivitäten dazu, dass jeder Bürger als Verdächtiger behandelt werde. Die Frage ist: Wo man dies nun alles weiß - wie geht man damit um? Ist es überhaupt möglich, die USA - Gigant und Verbündeter zugleich - zu bestrafen? Die Arbeitsgruppe schlug vor, die gewerbliche Datenübermittlung an US-Unternehmen zu stoppen.
Außerdem solle die EU-Kommission das Programm zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung (TFTP) auf Eis legen, bis Verhandlungen über ein Datenschutz-Rahmenabkommen mit den USA abgeschlossen seien, betonte der Vorsitzende der Gruppe, der britische Labour-Abgeordnete Claude Moraes.
Wichtigster Bestandteil von TFTP ist das 2010 unterzeichnete sogenannte SWIFT-Abkommen. Es gibt den US-Behörden Einsicht in die Bankdaten von EU-Bürgern, die Geld ins Ausland überweisen. Erklärtes Ziel der nach dem belgischen Finanzdienstleister SWIFT benannten Vereinbarung ist es, Finanzquellen mutmaßlicher Terroristen trockenzulegen.
Was verschicken Google, Apple & Co?
Die gewerbliche Datenübermittlung zwischen der EU und den USA ist im sogenannten Safe-Harbour-Abkommen geregelt. Demgemäß können sich US-Unternehmen selbst bescheinigen, dass sie sich an die Datenschutzbestimmungen der EU halten. Eine Reihe von Internet-Riesen wie Google, Microsoft, Facebook und Apple hätten aber eingeräumt, dass sie die Daten nicht verschlüsseln, heißt es in dem 52 Seiten umfassenden Abschlussbericht. Dies ermögliche einen Zugriff der Geheimdienste auf die Informationen.
Die EU-Staaten müssten daher "unverzüglich" den Datentransfer an solche Unternehmen unterbinden. Bereits 2002 habe die EU-Kommission Datenschutzlücken in den Safe-Harbour-Abkommen ausgemacht, die nach einem neuen Umsetzungsbericht vom vergangenen November noch immer bestünden, kritisierten die sechs Abgeordneten der Arbeitsgruppe.
Im März will sich das EU-Parlament auf eine endgültige Fassung des Berichts einigen. Welche Auswirkungen das Papier dann haben wird, muss sich zeigen. Denn die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die USA. Auch der britische Geheimdienst GCHQ hat spioniert. Und, so heißt es in dem Bericht, auch in Deutschland, Frankreich und Schweden gebe es wahrscheinlich "Programme ähnlicher Art" wie jene der NSA. Der Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, wies dies als falsch zurück.
Snowden soll live befragt werden
Um die Aufklärung weiter voranzutreiben, hat sich der Ausschuss für Justiz und Bürgerrechte im Europaparlament dafür ausgesprochen, den ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden per Video-Konferenz zu seinen Enthüllungen zu befragen. Die Ausschussmehrheit will allerdings, dass Snowden per Direktschaltung interaktiv befragt werden soll - und nicht wie zunächst vorgeschlagen per Video-Aufzeichnung.
Es ist fraglich, ob sich der Ex-Geheimdienst-Mann dazu bereit erklären wird. Bislang hatte der im russischen Exil lebende Snowden, der von der Justiz seines Landes per Haftbefehl gesucht wird, dies stets abgelehnt. Er befürchtet, auf diese Weise könne er geortet werden. Es sei unwahrscheinlich, dass der ehemalige Geheimdienstarbeiter seine Meinung ändere, so Albrecht. Denn einstellen werden die Dienste ihre Arbeit auch nach der Empörung allerorten wohl kaum.