Zoo-Direktor Niekisch über die dramatische Zunahme der Wilderei "In Vietnam ist das letzte Nashorn schon verschwunden"
Der illegale Handel mit Rhinozeros-Hörnern blüht. Der Grund: In Asien, wo immer mehr Menschen sich das teure Nashornpulver leisten können, hält man es für potenzsteigernd und krebsheilend. Obwohl es dieselbe Wirkung hat "wie Fingernägel kauen", wie Zoodirektor Manfred Niekisch im Interview mit tagesschau.de erklärt. So fallen immer mehr Tiere in Asien und Afrika Wilderern zum Opfer.
tagesschau.de: Die Nashorn-Wilderei in Südafrika wird in diesem Jahr vermutlich einen Negativ-Rekord erreichen. Warum steigt das Interesse an den Tieren so?
Manfred Niekisch: Die Wilderer haben es ja auf die Hörner der Tiere abgesehen. Die sind aus Keratin, das ist die gleiche Substanz wie unsere Fingernägel oder Haare. In Asien ist der Glaube weit verbreitet, dass das Horn - wenn man es zu Pulver zermahlt - gut sei für die männliche Potenz. Dafür gibt es allerdings keinerlei wissenschaftliche Nachweise. Der tatsächliche Effekt ist derselbe, wie wenn man an den Fingernägeln kaut.
Dass die Nachfrage seit einiger Zeit steigt, hat vor allem damit zu tun, dass der Wohlstand in Asien zunimmt und sich immer mehr Leute Nashornpulver leisten können. Hinzu kommt, dass ein hoher vietnamesischer Funktionsträger verbreitet hat, er sei durch das Pulver vom Krebs geheilt worden. Seitdem gibt es in Vietnam einen richtigen Run auf Nashornpulver.
"Die Diebe werden immer dreister"
tagesschau.de: Gibt es auch in Deutschland oder Europa Käufer?
Niekisch: Nein. Hierzulande gibt es keine Nachfrage. Das Interesse an Nashornpulver ist wirklich auf Asien und die traditionelle chinesische Medizin beschränkt. In Deutschland gab es allerdings in der letzten Zeit gehäuft Einbrüche in private Jagdschlösser und Naturkundemuseen, bei denen die Hörner von Jagdtrophäen oder präparierten Tieren gestohlen wurden. Die Diebe werden immer dreister. Deshalb haben wir im Frankfurter Zoo beispielsweise besondere Sicherungsmaßnahmen für unsere Nashörner getroffen. Andere Zoos haben das auch gemacht.
tagesschau.de: Wie viel ist so ein Horn denn wert?
Niekisch: Wir gehen im Moment davon aus, dass das Kilogramm Nasenhorn zwischen 20.000 und 50.000 Dollar wert ist. Das ist aber natürlich nicht das Geld, das der Wilderer bekommt. Da bleibt viel bei den Schmugglern und dem Zwischenhandel hängen.
tagesschau.de: Nashörner stehen ja schon lange unter Artenschutz. Wie steht es zurzeit um den Bestand der Tiere?
Niekisch: Die Zahl der Nashörner in Afrika und Asien war noch nie besonders hoch, aber früher viel höher als jetzt. Und die, die es jetzt noch gibt, sind stark gefährdet. Zum einen wird ihr Lebensraum immer mehr beschnitten, da die landwirtschaftlichen Flächen sich ausbreiten. Zum anderen sind Naturschutzgebiete, wo sie noch vorkommen, oft aus Geldmangel nicht in besonders gutem Zustand. Zwar kann man fast schon sagen, dass in vielen afrikanischen Nationalparks jedes Nashorn seinen persönlichen Wächter hat. Andererseits wächst der Druck durch die illegale Jagd zusehends. Perverserweise werden im südlichen Afrika immer noch Nashörner für den Abschuss durch Trophäenjäger freigegeben. Das ist das völlig falsche Signal.
"In Vietnam ist das letzte Nashorn verschwunden"
tagesschau.de: Andererseits gibt es auch schon seit Jahren Bemühungen, durch Wiederansiedlungs- und Zuchtprogramme den Bestand zu erhöhen. Hat das überhaupt nichts gebracht?
Niekisch: Es wurden zwar kleine Erfolge erzielt, aber auf den gesamten Bestand der Nashörner bezogen, spielt das fast keine Rolle. Wir beobachten überall in Südostasien, wo die Nashörner noch schlechter geschützt sind als in Afrika, einen rapiden Rückgang des Bestands. In Vietnam ist das letzte Nashorn vor einiger Zeit verschwunden. In Afrika sind bestimmte Unterarten stark bedroht.
Es gibt aber auch Erfolge: In Nepal zum Beispiel sind im vergangenen Jahr keine Nashörner mehr gewildert worden, weil man die Bewachung der Nationalparks verbessert hat. Beim indischen Panzernashorn hilft ausnahmsweise mal der Tourismus. Seit dort früh am Morgen Touristen auf Elefanten zu den Schlammlöchern geführt werden, an denen sich die Nashörner aufhalten, ist die Wilderei gewaltig zurückgegangen. Das ist nämlich die gleiche Zeit, zu der die Wilderer Jagd machen, weil das nachts zu gefährlich ist. Die Touristen fungieren hier als Schutzschild für die Nashörner.
tagesschau.de: Welche Länder sind denn am stärksten von der Wilderei betroffen?
Niekisch: In Afrika sind ja die Nashörner südlich der Sahara weit verbreitet. Besonders stark ist die Wilderei hier in Südafrika. In Indien und der Region am Fuß des Himalaya sind die indischen Panzernashörner im Nationalpark relativ gut geschützt. In der indomalaysischen Inselwelt und auf der asiatischen Halbinsel hingegen sind die Tiere fast ausgestorben.
"Das ist eine Mafia"
tagesschau.de: In Südafrika wird sogar schon Militär gegen die Wilderer eingesetzt. Warum kommt man trotzdem nicht dagegen an?
Niekisch: Das liegt vor allem daran, dass die Wilderer heute keine armen Leute mehr sind, die mit primitiven Waffen vorgehen. Das ist eine Mafia, also bestens ausgebildete, bewaffnete und organisierte Banden, die das professionell betreiben. Schließlich ist die Gewinnspanne bei der Wilderei sehr hoch. Hinzu kommt, dass gerade Südafrika mit seinen Nationalparks gut erschlossen ist, und das macht es den Wilderern auch leichter.
tagesschau.de: Was muss also passieren, um wirksam gegen Wilderer vorzugehen?
Niekisch: Das wichtigste ist die Unterstützung der Ranger bei der Bewachung der Nashörner. Die Tiere und übrigens auch die Wildhüter müssen noch besser geschützt werden, denn die Wilderer scheuen sich auch nicht, auf Nationalparkbeamte zu schießen. Und längerfristig muss man mit diesem Glauben aufräumen, dass Nashornpulver potenzsteigernd oder krebsheilend ist.
"Eine Legalisierung wäre Wahnsinn"
tagesschau.de: Was halten Sie von Forderungen, den Handel mit den Hörnern zu legalisieren, um die Preise zu senken?
Niekisch: Das ist völlig absurd. Mit jedem legalen Nasenhorn kann ein illegales in den Handel gebracht werden. Da man nicht garantieren kann, dass man jedes Teil individuell wiedererkennt und das auch kontrolliert, ist das Wahnsinn. Man hat das schon beim Elfenbeinhandel versucht und das ist hoffnungslos gescheitert. Es hat die Preise überhaupt nicht gesenkt und die Wilderei sogar noch befördert.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.