Kritik an CIA-Methoden in den USA "Wir stehen im Kampf um die Werte"
In den USA wird eine hitzige Debatte darüber geführt, ob den Geheimdiensten im Kampf gegen den Terror das Mittel der Folter erlaubt sein soll. Auch in den Medien wird dieser "Kampf um die Herzen" ausgetragen - und in Senat und Kongress regt sich Widerstand gegen die Linie der Bush-Administration.
Von Jan Oltmanns, tagesschau.de
Wenn die Welt nur aus Guten und Bösen besteht, dann ist es mit der Terrorbekämpfung - zumindest aus moralischer Sicht - ziemlich einfach. So lautet die Botschaft der fiktiven US-Serie "24 Hours": Als in der neusten Staffel der Erfolgsserie islamistische Terroristen einen nuklearen Angriff auf eine amerikanische Stadt planen, ist dem abgehalfterten Ex-Agenten Jack Bauer jedes Mittel recht, um die Katastrophe abzuwenden. Zweifel ausgeschlossen - schließlich stehen hunderttausende Menschenleben auf dem Spiel. Der Erfolg gibt dem Ex-Agenten am Ende Recht: Nicht zuletzt dank brutaler Verhörmethoden werden die Terroristen besiegt.
Der "Kampf um die Herzen"
In der Realität hingegen herrschen meist Grautöne vor - das gilt auch für die USA. Dort wird seit Wochen eine hitzige Debatte geführt, die Journalisten als "Kampf um die Herzen" beschreiben. Diskutiert wird eine moralisch und juristisch höchst schwierige Frage: Soll es den Geheimdiensten erlaubt sein, Gefangene zu foltern, wenn sie so in Besitz wichtiger Informationen im Anti-Terror-Kampf gelangen und möglicherweise Menschen retten könnten?
Nach den Anschlägen vom 11. September war die Antwort darauf recht eindeutig: Die Regierung Bush bestand darauf, sich kein Mittel im Kampf gegen den Terror aus der Hand nehmen zu lassen. Getragen wurde sie dabei von einer Woge der Zustimmung - sowohl in der Bevölkerung, als auch in der Legislative. Heute stehen die Neokonservativen, die einst die Demokratie in den Irak tragen wollten, vor einem Scherbenhaufen. Das Land ist von Stabilität weit entfernt. Foltervorwürfe gegen US-Soldaten - etwa im Fall von Abu Ghraib, massiver Ansehensverlust im Ausland und die harsche internationale Kritik an US-Gefängnissen heizen die Debatte weiter an.
"Dies ist nicht Amerika"
Und so regt sich jetzt im einstmals so geeint scheinenden Amerika Kritik an den Verhörmethoden der CIA. Das renommierte Magazin "Newsweek" etwa stellte die bange Frage, zu welchem Preis die Erkenntnisse der Geheimdienste zu haben sein dürften. Jimmy Carter, immerhin ehemals Präsident der Vereinigten Staaten, titelte im selben Magazin: "This isn't the real America" (Dies ist nicht das wirkliche Amerika). Er geißelte dort eine "Hinwendung zu fundamentalistischen Positionen". Weiter noch ging die "Washington Post": "Es steht mehr auf dem Spiel, als Amerikas Ansehen in der Welt. Unsere Ideale machen uns zu einer Nation. Wenn wir diese Ideale aufgeben, schwächen wir Amerika", schrieb Kolumnist Eugene Robinson. Und sein Kollege von der "New York Times", Bob Herbert, ohnehin scharfer Kritiker der Bush-Administration, stellte die Entführungsaktionen der CIA sogar "Seite an Seite mit Auftragsmord".
Auch im Senat, der Präsident Bush seit den Anschlägen des 11. September treu ergeben war, regt sich Widerstand. Die Senatoren forderten unlängst einen Plan für den Abzug aus dem Irak. Die Sinnhaftigkeit des "Patriot Act", der die Bürgerrechte einschränkt, wurde und wird öffentlich diskutiert. Und ausgerechnet ein populärer Republikaner, Senator John McCain, brachte gegen den erklärten Willen des Weißen Hauses einen Gesetzesentwurf ein, der "grausame, unmenschliche und entwürdigende Behandlungen" von Gefangenen kategorisch verbieten will. Der Entwurf wurde mit 90 zu 9 Stimmen angenommen. McCain ist einer, der weiß, wovon er redet, wenn er das Wort Folter in den Mund nimmt: 1967 wurde der Kampfflieger in Vietnam abgeschossen und war dort schweren Misshandlungen ausgesetzt. Erst 1973 kam er frei.
Vizepräsident Dick Cheney scheiterte mit dem Versuch, McCain jedenfalls das Zugeständnis abzutrotzen, doch wenigstens die CIA von der Regelung auszunehmen. Präsident Bush hat nun sein Veto angekündigt, sollte auch das Repräsentantenhaus für ein generelles Folterverbot stimmen. Das könnte leicht geschehen, denn auch der Kongress probt nach langem Stillschweigen den Aufstand gegen die Linie der Bush-Administration. In dem hohen Haus kam es Ende November fast zu einer Schlägerei, als die Abgeordnete Jean Schmidt ihren Kollegen John Murtha einen Feigling schimpfte. Murtha hatte zuvor unter Tränen erklärt, er sehe keinerlei Fortschritt im Irak. "Wir sind dem Irak zum Feind geworden", sagte er da. Das bemerkenswerte an dieser Aussage: Murtha ist keineswegs ein Friedensaktivist, sondern ein knallharter Berufsoldat.
"Geben Sie Regeln, die die Ideale reflektieren"
Wie glaubhaft ein Kampf gegen den Terror und für die Freiheit sein kann, wenn die eigenen Soldaten foltern und misshandeln, fragen sich auch die Bürger. Und sie zweifeln. Dies spiegeln jüngste Umfragen wieder. Präsident Bush - zu Beginn des Krieges von einer Welle der Zustimmung getragen - büßte in den vergangenen Wochen dramatisch an Vertrauen ein. 63 Prozent der US-Bürger sind nach Angaben der jüngsten Gallup-Umfrage inzwischen gegen die Irak-Politik der Regierung. 74 Prozent glauben, dass US-Soldaten im Irak gefoltert haben. Und immerhin 56 Prozent beantworteten die Frage, ob Folter von Terrorverdächtigen erlaubt sein solle, mit einem klaren Nein.
Die Bilder von misshandelten Irakern im Gefängnis Abu Ghraib haben das Selbstverständnis der Amerikaner schwer erschüttert - selbst der Truppe kommen Zweifel. Exemplarisch steht dafür der Brief von Captain Ian Fishback an Senator John McCain. Der junge Offizier diente in Afghanistan und im Irak. Als Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach dem Skandal von Abu Ghraib erklärte, die Genfer Konvention habe im Irak volle Gültigkeit, da konnte der junge Offizier das nicht länger mit seinen Erfahrungen aus dem Feld in Einklang bringen. Vergeblich bemühte sich der Absolvent der Elite-Militärakademie West Point um eine Antwort auf die Frage, was denn nun erlaubt sei. 17 Monate lang. Schließlich wandte er sich an den Senator. Fishback schließt seinen Brief mit einem Appell: "Ich bitte Sie inständig, ihren Männern und Frauen in Uniform gerecht zu werden. Geben sie ihnen klare Verhaltensregeln, die die Ideale reflektieren, für die sie ihr Leben riskieren."
"Auf der dunklen Seite aktiv werden"
Tatsächlich bewegen sich die Geheimdienste bislang in einer Grauzone. Zwar wird US-Außenministerin Condoleezza Rice nicht müde zu beteuern, dass die USA sich an internationale Vereinbarungen hielten. Nein, in Amerika werde nicht gefoltert. Für amerikanischen Boden mag dies Gültigkeit haben, aber was ist mit Afghanistan, dem Irak, Guantanamo? Man hat noch heute die Worte von Vizepräsident Dick Cheney im Ohr, als er nach dem 11. September erklärte, man müsse jetzt auch "auf der dunklen Seite" aktiv werden.
Mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus hat Washington bislang eine ganze Reihe von Vorgängen gerechtfertigt, die von internationalem Standpunkt aus fragwürdig erscheinen: So beharrt das Weiße Haus für das Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba auf einem Sonderstatus. Die Bush-Administration betrachtet die dort Einsitzenden als "unlawful combattants", für die der Schutz etwa der Genfer Konvention nicht gilt. Eine Vereinbarung, die im übrigen auch die USA akzeptiert haben. Ein weiteres Problem ist das so genannte "Outsourcing" der Folter: US-Geheimdienste bringen Terrorverdächtige in Drittstaaten, die es mit der Anti-Folter-Konvention nicht allzu genau nehmen.
Schließlich hat man in den USA eine recht eigenwillige Definition der Folter eingeführt: Praktiken, die zu irreversiblen Organschäden oder gar dem Tod führen, sind und bleiben auch den Geheimdiensten verboten. "Folter light" dagegen wurde erlaubt. CIA-Mitarbeiter berichteten im November freimütig im Sender ABC über solche Techniken: Darunter fallen Misshandlung, Gefangene stundenlang nackt in dunklen Zellen stehen zu lassen, Schlafentzug, Drohungen. Eine solche Unterscheidung sei Augenwischerei, meinen Kritiker, wie etwa die Organisation "Human Rights Watch". Außerdem wird der Wert der Erkenntnisse, die den Verdächtigen in solchen Verhören abgerungen werden, in Zweifel gezogen.
"Wir müssen besser sein als sie"
Diese Bedenken teilt auch John McCain. Der Senator ging aber noch einen Schritt weiter, als er im Sender CBS wohl stellvertretend für viele seiner Landsleute seine Zweifel formulierte: Bei der Debatte um Folter gehe es nicht um die Terroristen, es gehe um die Amerikaner, sagte er da. "Wir stehen in einem Kampf um die Werte, für die wir stehen. Dazu gehört die Einhaltung der Menschenrechte, ganz gleich, wie schrecklich unsere Gegner auch sein mögen." In "Newsweek" fügt er hinzu: "Die Feinde, die wir heute bekämpfen, verachten unsere liberalen Werte genauso, wie sie die internationalen Vereinbarungen verachten, die diese Werte bewahren. Wir aber müssen besser sein als sie."
Wenn Außenministerin Rice jetzt erklärt, CIA-Mitarbeiter würden sich fortan überall auf der Welt an die UN-Konvention gegen Folter halten, dann mag dies die internationale Kritik ein wenig besänftigen. Der "Kampf um die Werte", von dem McCain spricht, ist aber damit sicher noch lange nicht entschieden.