Interview

Interview zum britischen Truppenrückzug "Blair will sein Haus ordnen"

Stand: 21.02.2007 17:20 Uhr

"Basra ist nicht Bagdad" - mit diesen Worten hat der britische Premier den Abzug von 1600 Soldaten aus dem Irak begründet. Blair setze damit US-Präsident Bush unter Druck, so Korrespondent Holger Senzel im Gespräch mit tagesschau.de. Doch eigentlich verfolge Blair ein ganz anderes Ziel.

"Basra ist nicht Bagdad" - mit diesen Worten hat der britische Premier Blair den Abzug von 1600 Soldaten aus dem Irak begründet. Die Entscheidung setze US-Präsident Bush unter Druck, so ARD-Hörfunkkorrespondent Holger Senzel im Gespräch mit tagesschau.de. Doch eigentlich verfolge Blair ein ganz anderes Ziel.

tagesschau.de: Großbritannien gilt als engster Verbündeter der USA im Irak-Krieg. Jetzt verkündete der britische Premierminister Tony Blair, einen Teil der Truppen abzuziehen. Warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt?

Holger Senzel: Blair verkauft das ganze als einen Erfolg. Er sagt, dass sich die Situation im Süden Iraks, wo die Briten stationiert sind, so weit stabilisiert habe, dass man mehr und mehr Verantwortung an die Iraker übergeben könne. 1600 britische Soldaten werden schon in den nächsten Monaten heimkehren. Laut Blair würden die verbleibenden 5500 ausreichen, um die Grenze zu Iran zu sichern und um die irakischen Sicherheitskräfte bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Er erklärte: "Basra bleibt ein gefährlicher Platz, aber nun müssen die Iraker selbst das nächste Kapitel dieser Erfolgsgeschichte schreiben."

"Er setzt Bush unter Druck"

tagesschau.de: US-Präsident George W. Bush will genau das Gegenteil, nämlich die US-Truppen im Irak aufstocken. Wird der sonst so Bush-getreue Blair dem US-Präsidenten jetzt abtrünnig?

Senzel: Er setzt auf jeden Fall den amerikanischen Präsidenten unter Druck, denn Bush schickt mehr als 20.000 frische US-Soldaten in den Irak, Blair zieht seine Leute ab. Mit dem schlichten Satz "Basra ist nicht Bagdad" hat Blair aber für sich das Dilemma gelöst, nicht den Eindruck zu erwecken, dass zwischen ihm und dem US-Präsidenten eine Meinungsverschiedenheit besteht.

Blair argumentiert: Die Situation in Bagdad sei eine völlig andere, die Gefahr terroristischer Angriffe dort wäre viel größer und Bagdad strategisch auch viel wichtiger. In Basra habe sich die Situation eben stabilisiert, so dass man jetzt auch ein Zeichen setzen müsse. Beide Seiten haben diese Erklärung auch abgestimmt und verkaufen den Teilabzug der britischen Truppen als einen gemeinsamen Erfolg der britisch-amerikanischen Irak-Strategie.

"Der öffentliche Druck ist groß"

tagesschau.de: Nun kündigte aber auch Dänemark an, seine Soldaten aus dem Irak abzuziehen. Ist das auch mit den USA und Großbritannien abgestimmt?

Senzel: Es sieht nicht danach aus. Blair hatte in seiner Erklärung im Unterhaus Dänemark nicht erwähnt. Diese Meldung kam völlig gesondert.

tagesschau.de: Der Rückzug der britischen Truppen ist auch innenpolitisch in Großbritannien bedeutungsvoll, da Premierminister Blair im Frühjahr aus dem Amt scheiden wird. Ordnet er sein Erbe?

Senzel: Das kann man so sagen. Es geht darum, dass er sein Haus ordnen will. Blair wird natürlich alles tun, um diesen Eindruck zu vermeiden, dass der Teilabzug der Truppen quasi eine Kapitulation vor dem öffentlichen Druck ist. Und dieser ist groß. Das britische Irak-Engagement ist ausgesprochen unpopulär. Die Forderungen werden immer lauter, dass die britischen Truppen zurückkehren sollen. Sein angekündigter Rücktritt ist letztlich eine Folge des gewachsenen innerparteilichen Drucks wegen des Irak-Kriegs. Und ich denke schon, dass Blair, bevor er den Zeitplan für seinen eigenen Rückttritt bekannt gibt, anfangen will, seine Jungs und die Frauen nach Hause zu holen.

Das Interview führte Jana Seyther, tagesschau.de