Afghanistan-Expertin Citha Maas "Der Terror der Taliban wird zurückkehren"
Was kann Afghanistan eine eine friedliche Zukunft zu bringen? tagesschau.de sprach mit der Afghanistan-Expertin Citha Maass von der Stiftung Wissenschaft und Politik über mögliche Perspektiven.
Was kann Afghanistan eine eine friedliche Zukunft zu bringen? tagesschau.de sprach mit der Afghanistan-Expertin Citha Maass von der Stiftung Wissenschaft und Politik über mögliche Perspektiven.
tagesschau.de: 2007 wird das Jahr der Entscheidung für Afghanistan heißt es. Was erwarten Sie in diesem Frühjahr?
Maass: Talibanführer Mullah Omar hat sich Anfang des Jahres erstmals nach langer Zeit in einem Interview wenig versöhnlich zu Wort gemeldet. Das lässt nichts Gutes hoffen. Nun warten alle auf den März. Wenn der Schnee weg ist, wird der Terror der Taliban zurückkommen, speziell im Süden. Das befürchte ich zumindest.
tagesschau.de: Und das liegt nur am Wetter?
Maass: Nicht nur. Im März ist dort auch Mohnblüte. Es spricht viel dafür, dass die Amerikaner eine gewaltige Mohnvernichtungskampagne planen. Ein nicht zu unterschätzender Eskalationsfaktor. Im Süden wird das vermutlich zu einer weiteren Polarisierung führen. Wenn dort Mohnfelder in großem Stil vernichtet werden, treibt das die jungen Männer in die Arme der Taliban.
tagesschau.de: Warum konzentriert sich denn die Gewalt im Lande vor allem auf den Süden?
Maass: Zum einen waren dort die US-geführten Koalitionsstreitkräfte seit Ende 2001 sehr aktiv im Kampf gegen Al Kaida und Taliban-Verbände. Dies hat mehrfach zu sicherlich nicht beabsichtigten Übergriffen auf die Bevölkerung geführt. So etwas schürt Hass und schafft kein Vertrauen. Zum anderen befindet sich der Süden mehr denn je in einem Machtvakuum. Die Regierung in Kabul hat in den südlichen Provinzen allenfalls auf dem Papier Kompetenzen, in Wirklichkeit aber wenig bis nichts zu melden.
tagesschau.de: Es wird im Westen immer wieder kritisiert, die Kabuler Regierung tue zu wenig im eigenen Land. Aber kann sie das überhaupt?
Maass: Genau das war immer das Bestreben der internationalen Gemeinschaft: Die internationale Militärpräsenz sollte den Sicherheitsrahmen für eine politisch schlagfähige afghanische Regierung schaffen. Dies ist, wie man vor allem im Süden sieht, nur unzureichend gelungen. Präsident Hamid Karsai hat in der Vergangenheit den Fehler gemacht, in den Provinzen immer wieder korrupte Politiker und Polizeichefs einzusetzen, was die dortigen Krisen weiter befeuerte. Die Polizei ist generell so unterbezahlt, dass es ohne Korruption gar nicht geht.
tagesschau.de: Trägt an dieser Entwicklung auch die internationale Gemeinschaft eine Mitschuld?
Maass: Es hat zu wenig Aufbauhilfe gegeben. Wir haben da ein "Henne/Ei-Problem“: Wenn die Sicherheitslage es nicht erlaubt, dass internationale Organisationen dorthin können, werden auch keine Projekte gefördert. Und das führt dann dazu, dass sich die dort lebenden Paschtunen benachteiligt fühlen und ihre Ressentiments gegen die Karsai-Regierung und die internationalen Truppen richten. So werden immer mehr Menschen zu stillschweigenden Sympathisanten der Taliban. Allein mit militärischem Vorgehen gegen die Taliban ist die Lage nicht in den Griff zu bekommen. Wobei man auf das Militär nicht verzichten kann und soll, es muss aber etwas hinzu kommen.
tagesschau.de: Was soll das sein?
Maass: Die Frage muss lauten: Wie kann man im Süden trotz der extrem schwierigen Lage kleine Aufbauprojekte fördern? Nur so können dort verlorene Sympathien zurück gewonnen werden. Dazu muss auch die lokale Bevölkerung mit der Durchführung solcher Projekte beauftragt werden. Allerdings ist es sehr schwer, angesichts der wachsenden Entfremdung überhaupt noch vertrauenswürdige Einheimische zu finden.
tagesschau.de: Die Amerikaner hoffen auf ein stärkeres Engagement ihrer Verbündeten. Auch die Bundeswehr sollte sich ihrer Ansicht nach verstärkt im Süden beteiligen.
Maass: Vorerst noch hinter vorgehaltener Hand fordern die Amerikaner deutsche Bodentruppen für den Süden. Dies ist abzulehnen, solange die bisherige Nato-Strategie im Süden beibehalten wird, weil sie sich als kontraproduktiv erwiesen hat. Als politischer Kompromiss zeichnet sich der Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen ab. Meine Sorge ist aber, dass es dabei nicht bleiben wird, wenn es zu einer Eskalation kommt. Der Druck der Amerikaner und der Nato wird dann weiter wachsen.
tagesschau.de: Düstere Aussichten also für das Land?
Maass: Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es zu einer weiteren Eskalation kommt. Die Frage ist jetzt, ob man auf der Afghanistan-Konferenz den Mut aufbringt, nach unorthodoxen Ansätzen in der Aufbauhilfe zu suchen. Ich bin aber skeptisch, dass es dazu kommt.
Das Gespräch führte Ulrich Bentele, tagesschau.de, anläßlich der Afghanistan-Konferenz im Januar 2007.