Rede vor dem Europaparlament Merkel drängt zur Eile bei EU-Verfassung
Die Lösung der EU-Verfassungskrise und die Klimapolitik sind laut Bundeskanzlerin Merkel die Schlüsselaufgaben der zweiten Hälfte ihrer Ratspräsidentschaftt. In einer Halbzeitbilanz vor dem Europaparlament regte sie erstmals eine Bürgerbeteiligung an der Verfassungsdebatte an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einer Halbzeitbilanz der deutschen Ratspräsidentschaft nachdrücklich vor einem Scheitern der bevorstehenden Bemühungen um einen neuen EU-Vertrag gewarnt. Die derzeitige EU-Ratsvorsitzende erinnerte vor dem Europaparlament daran, dass sich die Regierenden der 27 EU-Staaten am Wochenende in Berlin verpflichtet hatten, bis Anfang 2009 der EU "eine erneuerte gemeinsame Grundlage" zu geben. Damit soll ein Ersatz für die 2005 bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte EU-Verfassung gefunden werden.
Die Lösung der EU-Verfassungskrise und die Klimapolitik sind laut Merkel die Schlüsselaufgaben der zweiten Hälfte ihrer Ratspräsidentschaft. Sie werde in den verbleibenden drei Monaten des EU-Vorsitzes alles tun, um die Handlungsfähigkeit der EU zu wahren. Über den Klimaschutz wolle sie unter anderem mit US-Präsident George W. Bush auf dem Gipfeltreffen am 30. April in Washington beraten. Für die Sicherheit der Energieversorgung sei zudem das geplante Partnerschaftsabkommen mit Russland unerlässlich. Hierbei verwies sie auf das Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 18. Mai in der Wolga-Metropole Samara.
Merkel: Wichtiges vor dem Wahlkampf 2009 klären
Merkel sagte, ein Wahlkampf für das Europaparlament im Frühjahr 2009, bei dem die künftige Erweiterung, die Zahl der EU-Kommissare und die Kompetenzen in der Energie- und Rechtspolitik nicht geklärt seien, würde "die Distanz zwischen den Insitutionen Europas und den Bürgerinnen und Bürgern nur vergrößern".
Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso mahnte die Regierungen zum Handeln: "Die Unfähigkeit, sich auf eine neue institutionelle Grundlage zu einigen, würde eine Spaltung hervorrufen, die unsere gemeinsamen Werte bedroht", sagte er. Die Ratifizierung der EU-Verfassung durch nur 18 der 27 Staaten werfe "einen Schatten des Zweifels auf die EU".
Merkel forderte die EU auf, "offensiv für die eigenen Vorstellungen und Werte zu werben". Sie wurde von den Franktionsvorsitzenden von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen für den neuen Schwung gelobt, den sie in Berlin der Verfassungsdebatte gegeben habe.
Erstmals Bürgerbeteiligung angeregt
Erstmals regte die Bundeskanzlerin eine Bürgerbeteiligung an der Debatte um die EU-Verfassung an. Sie schlug vor, das Europaparlament solle eine "Anhörung der Zivilgesellschaft" vornehmen. Ziel sei, "dass wir ein Stück europäische Öffentlichkeit in unsere Debatten mit einbringen können". Als möglichen Termin für solch eine Bürgeranhörung nannte sie den Mai. Das wäre einen Monat, bevor Merkel auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen Fahrplan für die EU-Verfassung verabschieden will.