Transsib Russland in sechs Nächten und sieben Tagen
Von Hermann Krause, ARD-Hörfunkstudio Moskau
In der morgendlichen Dunkelheit taucht zuerst ein heller Lichtkegel, ein riesiger Scheinwerfer auf. Die E-Lok gewaltig, die Waggons viel höher und größer als europäische Züge, ein dunkler Koloss.
Die Einfahrt nach einer Reise quer durch Russland ist unspektakulär, nicht einmal eine Begrüßung per Lautsprecherdurchsage. Als die Türen sich öffnen in Wladiwostok, wird Gepäck herausgereicht. "Sechs Tage waren wir da drin", sagt eine Passagierin, aber ihm gehe es dennoch gut. Im Zug sei es eigentlich sehr schön gewesen. Sie hätten Bücher gelesen, Video geguckt. Sie hatten ein Luxusabteil, staunt sie, da gab es tatsächlich einen Fernseher.
Feucht-fröhliches Beisammensein
In russischen Zügen geht es äußerst gemütlich zu. Kaum hat man in seinem Abteil Platz genommen, packt der Nachbar sein Proviantpaket aus. Gebratene Hühnchen, Tomaten, eingelegte Gurken, getrockneten Fisch und immer wieder Wodka, Wodka, Wodka.
"Während der Reise kann man viele Leute kennen lernen", weiß ein anderer Passier. In Moskau heiße es gleich: wer fährt nur nach Tula, wer fährt nach Dalneretschensk, wer bleibt bis zum Schluss. Adressen würden ausgetauscht, manchmal treffe man sich hinterher wieder.
Internationalismus und Heimatliebe
Ein Ausländer, wenn er noch zudem noch ein bisschen Russisch spricht, wird zur Sensation in so einem Zug und von einem Abteil zum nächsten gereicht. Die russische Gastfreundschaft kennt in der transsibirischen Eisenbahn keine Grenzen. "Es war alles sehr gut", freut sich eine Reisende. Ihr Nachbar sei Franzose gewesen, sie hätten sich nie gelangweilt - im Gegenteil. Und dann sei da ja auch noch die russische Landschaft, die an einem vorbeiziehe: Sibirien, der Baikal-See, Birkenwälder, Seen, breite Flüsse, Städte wie Omsk, Tomsk oder Irkutsk.
Dort hält der Zug manchmal bis zu einer Stunde. In tiefer Nacht, am frühen Morgen, immer warten Dutzende von Händlern auf den Bahnsteigen, bieten Essbares an. Das Land ist reich, die Menschen in Sibirien sind arm. Nicht für alle ist die Fahrt eine Erholung.
"Im Sommer ist es leichter", hat eine Zugbegleiterin erlebt. Da gebe es keinen Frost, nichts friere fest. Das solle man sich einmal vorstellen - Sibirien, minus 40 Grad. Die Türen, die Schlösser, alles friere ein. Dann müssten sie die Waggons frei halten, vom Eis, vom Schnee.
Teures Vergnügen
180 Euro kostet das Ticket, das ist für viele ein Monatslohn und so hat dieser Zug heute nur zwölf Waggons und befördert nicht einmal 340 Reisende, zur Zeiten der Sowjetunion, als das Ticket kaum etwas kostete, waren es mindestens 1000 Menschen. Behalten hat die Transsibirische aber ihre Bedeutung als Postzug. Direkt hinter der schweren Zugmaschine hängt der Postwagen.
Für Russland sei das nicht sehr lang, wenn die Post sechs Tage unterwegs ist, meint ein Reisender. Warum immer diese Eile. Hier sei sowieso das Ende von Russland. Jetzt komme nur noch der Ozean.