Kampf gegen den Terror Verhöre im rechtsfreien Raum
Geht es um "Verhörzentren" für Terrorverdächtige, herrscht in Washington höchste Geheimhaltungsstufe. Recherchen über Misshandlungen von Gefangenen haben jedoch zahlreiche Fakten darüber ans Tageslicht gebracht: Die USA unterhalten mehrere Zentren, in denen Folter gängige Praxis zu sein scheint. Und sie bedienen sich auch berüchtigter Foltergefängnisse wie in Ägypten.
Von Harald C. Neuber
Rund 9000 Menschen werden von der US-Armee, militärischen Sondereinheiten und dem Geheimdienst CIA weltweit unter Terrorismusverdacht festgehalten. Zwischen 6000 und 7000 Gefangene saßen zuletzt allein im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad ein. Weitere "Verhörzentren", so die offizielle Sprachregelung aus Washington, befinden sich unter anderem bei Kabul, am internationalen Flughafen von Bagdad und auf dem Gelände des US-Luftwaffenstützpunktes im Emirat Katar. Zu diesem Ergebnis kommt die US-Tageszeitung "Washington Post".
"Diese Einrichtungen können die Größe eines Schiffscontainers haben oder die des US-Marinestützpunktes Guantanamo Bay im Osten Kubas, schrieben Dana Priest und Joe Stephens Mitte Mai. Nicht nur die beiden Journalisten sind davon überzeugt, dass nach den Terroranschlägen vom 11. September weltweit ein Netzwerk solcher Verhörzentren errichtet wurde.
Verhöre - Der Schlüssel im Antiterrorkampf
Hochrangige Funktionäre der US-Regierung haben die Verhöre mutmaßlicher Gewalttäter seither wiederholt als Schlüsselelement im "Krieg gegen den Terrorismus" bezeichnet. Auch der stellvertretende Direktor des US-Geheimdienstes CIA, John McLaughlin, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Verteidigung der Verhöre geht. "Dieses Land handelt heute unter Verwendung aller ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen geschlossener, um offensiver und unbarmherziger (gegen den Terrorismus, d. A.) vorzugehen", erklärte McLaughlin unlängst vor dem 11-September-Ausschuss des Kongresses.
Tausende in arabischen Staaten festgenommen
Konkret bedeutet das die Errichtung eines komplexen Systems von militärischen und geheimdienstlichen Einrichtungen, in denen Terrorverdächtige mitunter über Monate hinweg verhört werden. Ein Teil dieser Zentren wird wie in Guantánamo oder im Irak von der Armee kontrolliert und untersteht somit dem Pentagon. In anderen Fällen zeichnet die CIA verantwortlich, aber auch ausländische Geheimdienste sind im Auftrag Washingtons mit Verhören beauftragt. "Die Anzahl der Menschen, die auf Geheiß der USA in den arabischen Staaten festgenommen wurde, übersteigt bei weitem die Zahl der in Guantanamo Inhaftierten - es sind Tausende", sagt der ehemalige Justizminister von Katar, Najeeb Nuaimi. Heute vertritt er die Familien mehrerer Gefangener im Rechtsstreit gegen die amtierende Bush-Regierung.
Nicht im Einflussbereich der Justiz
Geht es um die Verhörzentren, herrscht in Washington höchste Geheimhaltungsstufe. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beklagte mehrfach, keinen Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen zu erhalten. Ähnlich ging es anderen Organisationen wie amnesty international oder dem Roten Kreuz. Das ist nicht verwunderlich. Denn ein Grund für die Errichtung der Verhörzentren ist nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen und Juristen, die Gefangenen außerhalb des Einflussbereiches der US-Justiz zu halten.
Kein Status, keine Ansprüche, keine Hoffnung
Deutlich wurde das im Verlauf der Klagen von Insassen des Gefangenenlagers "Camp X-Ray" auf Guantanamo. Der Oberste Gerichtshof der USA wies die Entscheidungsbefugnis über Wochen von sich, weil es sich schließlich um eine militärische Einrichtung handele. Nach Kriegsgefangenenstatus werden die Insassen aber auch nicht behandelt. Die Folge: Für mutmaßliche Terroristen in US-Gefängnissen gibt es keine juristischen oder völkerrechtlichen Ansprüche, keine Anwälte und keine Chance auf ein Berufungsverfahren. "Im Fall der Insassen des Blocks 1A des Abu-Ghraib-Gefängnisses gibt es noch nicht einmal die Hoffnung auf eine humane Behandlung", schreiben Priest und Stephens in der "Washington Post".
"Behandlung" hat Tradition
Diese Entwicklung ist ebenso wenig erstaunlich wie es sich bei den Folterfällen um Einzeltäter handelt. Nach Ansicht des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Peter Proebst existiert in den USA "eine lange Tradition dieser Behandlung von Gefangenen", die über Jahrzehnte praktiziert worden sei. "Vom Standpunkt der Regierung aus ist das absolut legal", so Proebst.
Tatsächlich wurden vergleichbare Folterexzesse durch Militär und Geheimdienst bereits vor Jahren von dem US-Autor William Blum in seinem Buch "Killing Hope" über die CIA-Operationen seit dem Zweiten Weltkrieg nachgewiesen. Blum hatte 1967 aus Protest gegen dieses Vorgehen in Vietnam den Dienst im US-Außenministerium quittiert. Doch nicht nur Dissidenten bestätigen die aktuellen Vorwürfe gegen die Regierung. Am 24. Februar dieses Jahres sprach der Chefjurist des Weißen Hauses, Alberto R. Gonzáles, vor dem Juristenverband "American Bar Association" über die rechtlichen Hintergründe des "Krieges gegen den Terrorismus". Jeder Aspekt würde vom Justizministerium geprüft, so Gonzáles. "In Einzelfällen entscheidet der Präsident selbst".
Wie Terrorverdächtige aus zahlreichen Ländern an die USA überstellt und dann in berüchtigte Gefängnisse geflogen werden, lesen Sie im zweiten Teil: "Mit der Gulftstream nach Ägypten".