Die Situation in der arabischen Welt "Europa muss offensiver auftreten"
tagesschau.de: Vor wenigen Wochen hat die "Washington Post" über die Anstrengungen der USA berichtet, das Verhältnis zu der arabischen Welt auf diplomatischem Wege zu verbessern. Der Autor attestierte dem Weißen Haus ein - wenn überhaupt - unzureichendes Engagement. Welche Möglichkeiten bleiben Washington, die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen?
Armbruster: Die Aufwertung der Diplomatie ist eine gut gemeinte Idee. Die USA müssten mehr für Erziehung, für Ausbildung, für kulturelle Aktivitäten leisten. Allerdings glaube ich nicht, dass das wirklich eine Lösung ist. Die amerikanische Politik gegenüber der arabischen Welt muss sich insgesamt ändern, will sie auf dem Feld der Diplomatie wieder Erfolg haben.
Ein Positionswechsel in der Haltung zum Nahost-Konflikt wäre wohl der wichtigste Schritt. Um in der arabischen Welt wieder glaubwürdig zu werden, müssten die USA viel entschiedener für die Palästinenser Partei ergreifen. Das gilt nicht unbedingt für Palästinenserpräsident Jassir Arafat, der wird auch in der arabischen Welt als politisches Auslaufmodell gesehen. Aber die gemäßigten Kräfte in der palästinensischen Gesellschaft müssten stärker unterstützt werden. Realistisch habe ich im Augenblick allerdings wenig Hoffnung, dass sich die Position der USA in der arabischen Welt tatsächlich verbessern wird. Die Perspektiven sind im Augenblick sehr düster.
Allerdings wird der Westen in der arabischen Welt insgesamt differenziert gesehen. So wird stets sehr sorgfältig zwischen Europa und den USA unterschieden. Von Europa wird sehr viel mehr Verständnis für die eigene Position – und im Übrigen auch für die Situation der Palästinenser - erwartet. Besonders im Nahost-Konflikt setzt die arabische Welt auf Europa. Dass es Europa richten kann, ist zwar auch unwahrscheinlich. Aber Europa hätte sicherlich die Chance, aktiver als bisher zu werden.
tagesschau.de: Wie kommt es zu dieser Wertschätzung Europas?
Armbruster: Europa hat kein sichtbares imperiales Interesse in der Region. Es lässt sich, wenn man von Großbritannien absieht, nicht beobachten, dass europäische Staaten den Versuch unternehmen, den Nahen Osten zu kontrollieren. Spanien etwa wird hoch angerechnet, dass es seine Truppen aus dem Irak abgezogen hat. Deutschland und Frankreich wird hoch angerechnet, dass sie sich am Irak-Krieg nicht beteiligt haben.
tagesschau.de: Wie könnte Europa konkret aktiv werden, ohne die USA vor den Kopf zu stoßen?
Armbruster: Zunächst wäre eine deutlichere Kritik wünschenswert. Es ist zwar richtig, dass die Europäer im Nahen Osten keine Politik gegen die USA machen können. Allerdings könnte Europa im Nahost-Friedensprozess eine aktivere Rolle spielen. Beispiel "Roadmap": Diese Nahost-Friedensinitiative wurde von den USA, der EU, der Vereinten Nationen und Russland initiiert.
Dort wurde festgehalten, dass der israelische Siedlungsbau in den Palästinensergebieten eingestellt werden soll. Nun erlaubt ein Mitglied dieser Initiative, nämlich die USA, den Israelis, mit gewissen Einschränkungen ihren Siedlungsbau im Westjordanland fortzusetzen. Von der europäischen Seite gab es keinerlei Protest gegen den amerikanischen Vorstoß. Hier hätten die Europäer viel offensiver auftreten können.
Das muss nicht Politik gegen die USA bedeuten: Eine Mahnung an Washington, sich an die Richtlinien der gemeinsamen Initiative zu halten, würde ja bereits ausreichen. Hier haben die Europäer einen eigenen Spielraum, ohne dass ihnen vorgeworfen werden kann, Washingtons Politik zu torpedieren.
Ich bin auch der Meinung, dass sich Europa stärker im Irak engagieren müsste, wobei ein solches Engagement natürlich sehr stark von der Haltung der USA abhängt. Aber die Position der Bundesregierung etwa, ein Engagement im Irak zu verweigern, so lange die USA dort präsent sind, halte ich nicht für sehr konstruktiv.
Das Gespräch führte Jan Oltmanns, tagesschau.de
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