Interview Sigmund Jähn: "Marsflüge sind technisch machbar"

Stand: 26.08.2007 22:24 Uhr

Mit ehrgeizigen Plänen will sich der US-Präsident heute angeblich an eine staunende Öffentlichkeit wenden: Mitten im Wahlkampf wird George W. Bush aller Voraussicht nach bemannte Mars-Flüge ankündigen. Wie realistisch sind solche Pläne? Wie lange dauert ein Flug zum Mars? Und was kommt auf die Raumfahrer zu? tagesschau.de sprach darüber mit Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All.

tagesschau.de: Wenn Sie hören, dass der amerikanische Präsident nun wohl Menschen zum Mars schicken will – was denken Sie?

Sigmund Jähn: Man muss die Rede natürlich erst einmal hören. Ich bin mir sicher, dass der Zeitpunkt der Rede vor allem mit dem Wahlkampf in den USA zusammenhängt. Ein solches kosmisches Programm hat damit ganz gewiss etwas zu tun – das haben andere amerikanische Präsidenten ja auch so gemacht. Das Ziel, zum Mars zu fliegen, halte ich aber für realistisch und auch technisch machbar. Und was die menschliche Seite betrifft, gibt es ja durchaus Kosmonauten, die auf russischen Stationen und auch auf der neuen Internationalen Raumstation (ISS) über lange Zeiträume von bis zu einem Jahr im Weltraum waren. Was ich mich frage, ist, ob die Amerikaner hier ein nationales Programm planen oder ob sie die internationale Raumfahrt einbeziehen wollen. In meinen Augen sollte es eine Aufgabe der Menschheit sein, zum Mars zu fliegen. Und für mich stellt sich hier auch die Frage, welchen Stellenwert die Amerikaner dabei der ISS zuweisen.

tagesschau.de: Und was denken Sie - welchen Stellenwert wird sie haben?

Jähn: Man kann nur hoffen, dass die ISS ein Schritt auf dem Weg zum Mars sein wird. Dort könnte man gemeinsam Erfahrungen sammeln. Schließlich kann man ja nicht einfach losfliegen zum Mars. Vorher müssen große Strukturen aufgebaut werden – auf dem Mond, in der Umlaufbahn. Und das alles wird mit der ISS erprobt. Dafür muss man allerdings die internationale Zusammenarbeit verstärken. Gegenwärtig haben die Amerikaner ja große Probleme, ihren Verpflichtungen gegenüber den europäischen ISS-Partnern gerecht zu werden.

tagesschau.de: Wie lange dauert ein Flug zum Mars?

Jähn: Das hängt ab von der Konstellation zwischen Erde und Mars. Spezialisten würden sich zunächst einmal darum bemühen, eine günstige Konstellation herauszufinden. 2017 wäre zum Beispiel so ein Zeitraum, wo ein solcher Flug - hin und zurück - dann etwa ein bis eineinhalb Jahre dauern würde. Ganz genau habe ich das jetzt nicht nachgerechnet, aber mit solchen Zeiträumen muss man rechnen. Das ist dann aber immer noch viel schwieriger, als in einem solchen Zeitraum um die Erde zu fliegen.

tagesschau.de: Welche Strapazen kommen denn da auf die Raumfahrer zu?

Jähn: Es ist etwas müßig darüber zu reden, weil das Ziel ja noch fern ist. Aber natürlich gibt es da eine Menge Probleme. Einmal muss man sicher sein, dass es genügend Leute gibt, die für diesen Flug ausgewählt werden. Klar ist, dass sie alle freiwillig fliegen. Sie müssen aber auch Erfahrungen haben mit dem Langzeitfliegen. Bisher gibt es nur wenige, die Zeiträume bis zu einem Jahr geflogen sind. Das haben bisher nur Russen gemacht. Die Frage ist natürlich auch, was da auf psychologischer Ebene passiert. Das muss ja eine Besatzung sein, die sich nicht zerstreitet, die sich verträgt. Dann gibt es auch das Problem, dass man nicht mehr umkehren kann. Wenn man also einmal losgeschickt wurde, kann man nicht - wie bei einer Erdumrundung - das Bremstriebwerk einschalten, ins Rettungsboot steigen und nach Hause fliegen. Man muss sich da also mit allen Eventualitäten auseinandersetzen. Und man muss dazu bereit sein. Es geht nur vorwärts.

tagesschau.de: Welche technischen Voraussetzungen braucht denn so ein Flug zum Mars?

Jähn: Überlegen Sie nur, dass man alle Systeme in einem geschlossenen Kreislauf haben muss. Bei einem unbemannten Apparat braucht man keine Rücksicht nehmen auf lebenserhaltende Systeme wie Wasser oder Verpflegung. Wasser zum Beispiel kann man nicht mitnehmen, das muss schon im Kreislauf sein. Man muss auch daran denken, dass die, ich nenne sie mal Produkte der Lebenstätigkeit irgendwie abgeführt werden müssen. Solche Systeme sind noch nicht entwickelt für die Zeiträume, über die wir hier sprechen. Technisch muss klar sein, dass die Sicherheit der Aggregate, der Triebwerke so hoch ist, dass man landen und auch sicher zurückkommen kann. Bis dahin wird es sicher noch eine ganze Reihe unbemannter Flüge geben müssen. Wir wissen ja bis heute eigentlich nicht, warum der Lander der ESA (die europäische Mars-Sonde"Beagle 2" – Anm. der Redaktion) eigentlich verschollen ist. Es gibt also noch tausend Probleme und ich glaube ohnehin, man sollte nicht davon ausgehen, dass der nächstmögliche Zeitpunkt auch der ist, an dem es losgeht. Ich bin da sehr gespannt auf die Rede des Herrn Bush.

Das Interview führte Andrea Krüger, tagesschau.de

Sigmund Jähn (Jahrgang 1937) war der erste Deutsche im All. Am 26. August 1978 startete er mit dem sowjetischen Kommandanten Walerie Bykowski an Bord einer Sojus-31 vom sowjetischen Weltraumbahnhof Baikonur aus in den Weltraum. Die Mission wurde am 3. September erfolgreich beendet.