Piotr Jendroszczyk, Rzeczpospolita, Polen "Ein deutlicher Sieg der Deutschen"
Lob für Kanzlerin Merkel und Kritik an der Regierung seines Heimatlandes kommt vom polnischen Journalisten Piotr Jendroszczyk: Auf deutscher Seite habe eine "sehr erfahrene Politikerin" mit Verhandlungsgeschick gesessen - auf polnischer Seite leider nicht. Dennoch sei das deutsch-polnische Verhältnis nicht so nachhaltig getrübt, wie mancher behaupte.
Als „sehr erfahrene Politikerin, die weiß, wie man Kompromisse macht“, habe er Angela Merkel im vergangenen halben Jahr als EU-Ratspräsidentin empfunden, sagt der Journalist Piotr Jendroszczyk. Besonders auf dem EU-Gipfel in Brüssel habe die Kanzlerin bewiesen, dass sie „weiß, wie man Verhandlungen führt“ – keine Selbstverständlichkeit, fügt Jendroszczyk mit Blick auf seine Landsleute hinzu: „Das war auf der polnischen Seite nicht der Fall, dort saßen unerfahrene Politiker“, so der Deutschland-Korrespondent der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita.
Merkel: Für manchen eine "gefährliche Politikerin“
Die öffentliche Meinung in Polen über die EU-Ratspräsidentin Merkel stimme mit seiner überein, so Jendroszczyk – in weiten Teilen: „Aus so manchem polnischen Blickwinkel machen sie ihr Verhandlungsgeschick, ihre Geduld und ihre Konsequenz zu einer gefährlichen Politikerin.“
Diesen Eindruck nähren könnte der vergangene Brüsseler EU-Gipfel, auf dem in einem Verhandlungsmarathon mühsam der Kompromiss über den Grundlagenvertrag ausgehandelt wurde. Nach Ansicht von Jendroszczyk ist das der größte Erfolg der nun auslaufenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft: „Deutschland wollte den Weg für den Vertrag in diesem Halbjahr ebnen, Deutschland hat den Weg geebnet. Es gab ein paar Kompromisse, aber wenn man nachhaltig denkt, dann ist es ein deutlicher Sieg der Deutschen.“
Deutsche werden polnische Regierung aussitzen
Dieser Sieg falle damit zeitlich und inhaltlich mit dem größten Misserfolg der deutschen Ratspräsidentschaft zusammen: Zwar habe Merkel vor dem Gipfel in typisch deutscher Manier mit Polen über die künftige Stimmverteilung in der EU verhandelt, nämlich „gründlich, langsam und mit viel Geduld“ - dass sie den Streit mit Polen trotzdem nicht verhindern konnte, sei der Fleck auf der ansonsten so guten Bilanz der vergangenen sechs Monate, so Jendroszczyk.
Tendenziell positiv fällt seine Prognose für das deutsch-polnische Verhältnis dennoch aus: „Es gibt ein paar Stimmen in Polen, die nun einen Kalten Krieg mit Deutschland prophezeien und die Schäden der vergangenen Monate und Tage für irreparabel halten“, berichtet er. „ Ich teile diese Meinung nicht. Die Deutschen haben Verständnis dafür, dass es schwierig ist mit der aktuellen Regierung in Polen. Das wird man hier in Deutschland wahrscheinlich aussitzen, bis es nach den nächsten Wahlen eine neue Regierung gibt.“