EU-Perspektive für Serbien und Montenegro EU erhofft sich Rat von Carla del Ponte
Die Chefanklägerin des Haager Tribunals, Del Ponte, trifft sich heute mit EU-Erweiterungskommissar Rehn. Der will danach über ein Assoziierungsabkommen mit Serbien und Montenegro entscheiden. Kaum anzunehmen, dass del Ponte zur Fürsprecherin der Belgrader Führung wird.
Von Michael Becker, MDR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Mit dem Tod von Slobodan Milosevic hat die Chefanklägerin des Haager UN-Tribunals, Carla del Ponte, zwar ihren wichtigsten Angeklagten verloren, aber zu tun hat sie immer noch genug.
Zwei Schlüsselfiguren der Balkankriege in den neunziger Jahren stehen immer noch auf ihrer Liste: der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und sein Militärchef Ratko Mladic. Beide sind noch immer nicht an das Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien ausgeliefert worden.
EU glaubt nicht, dass Serbien voll kooperiert
Mladic und Karadzic sollen verantwortlich sein für das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 etwa 8.000 Muslime umgebracht wurden. Beide sind untergetaucht - Mladic offenbar in Serbien, davon ist Carla del Ponte überzeugt. In dieser Woche war sie erneut in Belgrad, und wieder ist nichts herausgekommen.
In Brüssel trifft sie heute Olli Rehn, den Erweiterungskommissar der EU. Auch Rehn ist überzeugt davon, dass Serbien nicht alles tut was möglich wäre, um Mladic auszuliefern: "Wir haben Grund zu der Annahme, dass Serbien Mladic verhaften könnte, wenn der politische Wille dazu da wäre und wenn dieser Wille in konkrete Maßnahmen umgesetzt würde", meinte er gestern in Brüssel.
Lässt Brüssel die Verhandlungen platzen?
Die Frage ist nun, wie die EU damit umzugehen gedenkt. Kommenden Mittwoch sollen die Verhandlungen mit Serbien wieder aufgenommen werden über eine engere Zusammenarbeit mit der EU - es geht um ein Assoziierungsabkommen, das Bedingung dafür ist, dass irgendwann einmal über einen EU-Beitritt gesprochen werden könnte.
Da Mladic noch immer nicht ausgeliefert ist, könnte Brüssel die Verhandlungen platzen lassen. Rehn wollte sich gestern nicht festlegen. Was Carla del Ponte ihm heute sagen wird, wird bei der Entscheidung aber eine große Rolle spielen. Von der serbischen Regierung hören Rehn und del Ponte immer wieder dasselbe: "Ich muss ihnen sagen, ich weiß nicht wo General Mladic ist. Aber was ich weiß ist, wer ihn deckt: politische Kräfte aus dem alten Regime in Serbien, die sehr sehr viel Angst haben vor einer europäischen Zukunft Serbiens", meinte Vuk Draskovic, der serbische Außenminister, bei seinem letzten Besuch in Brüssel.
Warnung an Bosnien-Herzegowina
Bei Adnan Terzic, dem Regierungschef von Bosnien-Herzegowina, klingt das ähnlich - er hatte gestern einen Termin bei Erweiterungskommissar Rehn: "Nach allem was ich weiß, sind weder Karadzic noch Mladic in Bosnien-Herzegowina." Carla del Ponte geht dagegen davon aus, dass Karadzic eben da untergetaucht ist.
Erweiterungskommissar Rehn hat deshalb auch Bosnien-Herzegowina davor gewarnt, dass die EU-Perspektive auf dem Spiel steht. Vorerst zumindest. Denn bisher hält die EU nach wie vor daran fest, dass beide Länder für einen EU-Beitritt in Frage kommen, wenn sie die Kriterien dafür erfüllen. Die Angst ist groß, dass der Nationalismus wieder aufflammt, wenn die EU die Tür zuschlägt.