Brüssel reagiert auf Nichtauslieferung von Mladic EU setzt Verhandlungen mit Serbien aus
Ende April ist das Ultimatum der EU an Serbien zur Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic an das Haager Tribunal verstrichen, ohne dass Belgrad darauf reagierte. Nun hat die Europäische Union die Gespräche über engere Beziehungen zu dem Land abgebrochen. Nach Angaben des serbischen Premiers Vojislav Kostunica befindet sich Mladic allein auf der Flucht.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Wenn Olli Rehn, der EU-Erweiterungskommissar, über Serbien spricht, dann hat er vorher Carla del Ponte konsultiert. Del Ponte ist die Chefanklägerin beim Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Seit Jahren ist sie dafür verantwortlich, den mutmaßlichen Kriegsverbrechern der Balkankriege in den 90er Jahren den Prozess zu machen. Wenn sie denn an das Tribunal ausgeliefert werden.
Bis heute wartet Del Ponte darauf, dass Radovan Karadzic, der ehemalige bosnische Serbenführer, und sein Ex-General Ratko Mladic verhaftet und ins Flugzeug nach Den Haag gesetzt werden. Die beiden sollen für zahlreiche schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich sein - allen voran für das Massaker von Srebrenica 1995. Dabei wurden 8000 Muslime umgebracht.
Zumindest Mladic soll sich in Serbien aufhalten - wahrscheinlich versteckt von Angehörigen der Armee und des Geheimdienstes. Carla del Ponte ist allerdings überzeugt davon, dass die Regierung in Belgrad Mladic nach Den Haag ausliefern könnte, wenn sie das wollte. Und in Brüssel zählt, was die Chefanklägerin sagt. "Ich muss sagen, es ist enttäuschend, dass Belgrad bisher nicht in der Lage gewesen ist, Mladic zu finden, zu verhaften und nach Den Haag auszuliefern," so Erweiterungskommissar Rehn heute. Die Enttäuschung ist so groß, dass sie jetzt Folgen hat: Rehn hat die Verhandlungen mit Belgrad über eine engere Anbindung von Serbien-Montenegro an die EU gestoppt - bis auf weiteres.
"Klare europäische Perspektive"
Es geht um ein Assoziierungsabkommen, eine Art Partnerschaft. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass irgendwann möglicherweise auch über einen EU-Beitritt gesprochen werden könnte. "Serbien-Montenegro hat eine klare europäische Perspektive - und dazu stehen wir. Das Abkommen würde den Menschen wichtige Vorteile bringen. Außerdem wäre es der erste Schritt in Richtung Europäische Union", sagte Rehn.
Die Regierung in Belgrad behauptet, nicht zu wissen, wo Ratko Mladic sich aufhält. Immer wieder hieß es, seine Verhaftung stünde unmittelbar bevor - aber passiert ist nichts. Jetzt ist der EU der Geduldsfaden gerissen: "Serbien muss zeigen, dass niemand über dem Gesetz steht, und dass jeder, der schwerwiegender Verbrechen angeklagt wird, vor Gericht gebracht wird". Die Verhandlungen könnten wieder aufgenommen werden, wenn Mladic ausgeliefert sei.