Juncker liest EU-Politikern die Leviten "Wir haben uns sträflichst daneben benommen"
Luxemburgs Ministerpräsident Juncker hat den Staats- und Regierungschefs der EU schwere Fehler in der Debatte um eine EU-Verfassung vorgeworfen. Der Begriff "Verfassung" habe Ängste provoziert, dass mit einer "Planierraupe" alles Nationalstaatliche plattgewalzt werden solle.
Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker hat den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union eine Mitschuld an der schweren Krise um die vorerst gescheiterte EU-Verfassung zugewiesen. Er und seine Kollegen hätten "durch unvorsichtiges Formulieren" dazu beigetragen, sagte Juncker in einem Interview des Deutschlandfunks. Er fügte hinzu: "Wir haben uns in der Terminologie sträflichst daneben benommen."
Mit dem Begriff "Verfassung" hätten sie das Gefühl geradezu provoziert, die EU-Verfassung habe die Funktion einer "groß-europäischen Planierraupe" und walze alles nieder. Der Begriff nähre den Verdacht, dass die Nationalstaaten langsam verschwänden und dass ein europäischer Staat entstehe. Dies wollten die Menschen berechtigterweise nicht. Ihm hätte ein "Grundvertrag" gereicht.
"Zukunftsfaule Europäer"
Auch er wolle nicht nur Europäer, sondern auch Luxemburger sein. Europa sei in der Krise, weil die eine Hälfte der Bürger mehr Europa wolle und die andere genug hätte. Europa habe den Kompass verloren, "weil die Menschen etwas zukunftsfaul geworden sind".
Die Verfassung, der alle EU-Staaten zustimmen müssen, war vor einem Jahr bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden de facto gescheitert. Luxemburg gehört zu jenen 15 EU-Staaten, die die Verfassung bereits ratifiziert haben.
Juncker, der seit 1995 luxemburgischer Regierungschef ist, gilt als einer der profiliertesten europäischen Politiker. Er soll am Himmelfahrtstag mit dem Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet werden.