EU-Russland-Gipfel zur Energieversorgung Brüssel will keinen Streit mit Putin
Nach den jüngsten Differenzen über die zukünftige Energieversorgung Europas sind der russische Präsident Wladimir Putin und Spitzen der EU-Kommission sowie des EU-Ministerrates zusammengetroffen. Bei den Verhandlungen geht es unter anderem um Energiefragen und um Erleichterungen bei der Visa-Regelung.
Von Klaus Boffo, BR-Hörfunkkorrespondent in Brüssel
Der Streit um russische Erdgaspreise beim Export in die Ukraine, die Aufregung, als Gazprom vorübergehend den Hahn zudrehte – im Brüsseler EU-Alltag scheint es, als wäre dies alles schon unendlich lange her. Dabei liegt es kaum fünf Monate zurück, dass EU-Energiekommissar Andris Pibalgs mitten in der Brüsseler Neujahrspause Experten aus allen 25 Mitgliedsländern zusammentrommelte, um über die Versorgungssicherheit beim Erdgas zu beraten. Russland ist seither deutlich bemüht, den Argwohn der Europäer zu zerstreuen.
Die Debatte um die Vertrauenswürdigkeit Russlands als Energielieferant habe einen viel zu politisch dominierten Ton, der die Öffentlichkeit in die Irre führe, betont Energieminister Viktor Christenko in einem Brief an Brüssel im Vorfeld des heutigen Treffens von EU-Spitzenvertretern mit Präsident Wladimir Putin. Auch aus der Gegenrichtung kommen Signale der Beruhigung. Russland werde ein großer Lieferant Europas bleiben, erklärte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als amtierender EU-Ratsvorsitzender.
Wird man beim heutigen Treffen im Schwarzmeer-Badeort Sotschi überhaupt das Verhalten des Monopolisten Gazprom ansprechen? Kommissionssprecherin Emma Udwin weicht aus: "Sicher sprechen wir über Energiefragen, aber nicht unbedingt aus diesem Blickwinkel. So ein Gipfelgespräch dauert eineinhalb Stunden, danach folgt noch ein Mittagessen. In so kurzer Zeit kann man nicht alle Themen jedes Mal zur Sprache bringen."
Die Abhängigkeiten vom russischen Erdgas sind in der EU von Land zu Land unterschiedlich, daher gehen die jeweiligen Interessen zum Teil weit auseinander. Doch im Verlauf der kurzen, aber lehrreichen Erdgas-Episode zur Jahreswende hat die EU immerhin gelernt, dass sie durch geschlossenes Auftreten gegenüber Russland ihr Gewicht als "Nachfragemacht" durchaus in die Waagschale werfen kann. Deshalb meint Udwin optimistisch: "Das ist keine Einbahnstraße. Sicher ist Russland mit im Schnitt 25 Prozent unseres Erdöl- und Gasverbrauchs ein wichtiger Lieferant. Aber umgekehrt sind wir nicht ein Kunde, sondern der Kunde für Russland. Wir nehmen etwa drei Viertel seiner Gasexporte ab. Eine sehr enge Partnerschaft also."
Partnerschaft und Transparenz
Und ganz vorsichtig erinnert die EU-Kommission Russland daran, dass für gute Handelsbeziehungen die Prinzipien der Transparenz, des Wettbewerbs und der Gegenseitigkeit gelten sollten. Wovon bei einem staatlichen Monopolkonzern wie Gazprom freilich nicht die Rede sein kann. Schwamm drüber!
Die EU brauche Moskau auf internationaler Ebene als Verbündeten, ruft Emma Udwin in Erinnerung: "Russland ist ein sehr guter Partner der EU bei Themen wie Iran, wo Moskau sehr konstruktiv nach diplomatischen Lösungen sucht, aber auch im Nahen Osten, wo Russland mit den USA, den Vereinten Nationen und der EU zum Quartett gehört." Da passt ein unproduktiver Streit um Energiepolitik einfach nicht ins Konzept.