Augenzeugenberichte "London steht unter Schock"

Stand: 08.07.2005 01:45 Uhr

Nach einem Aufruf von tagesschau.de haben sich zahlreiche Augenzeugen telefonisch und per E-Mail aus London gemeldet. Ein Fazit: Die britischen Medien haben schlechter über die Anschläge informiert als die ausländischen. Lange Zeit wussten die Londoner nicht, was eigentlich los war.

tagesschau.de-Userin Nadja Lambertz schreibt: "Als ich heute morgen gegen 9:00 Uhr zur Arbeit fahren wollte, war bereits die Eastern Line ausgefallen. Mit einer anderen Linie kam ich bis zur Station London Bridge. Dort mussten alle aussteigen, weil das System angeblich wegen Stromproblemen nicht mehr funktionierte. Ich ging dann zu Fuß weiter bis zu der Kanzlei, in der ich arbeite. Es waren sehr viele Menschen auf der Straße. In der Nähe der Liverpool Street Station habe ich viel Krankenwagen und Polizei gesehen." (12:37 MESZ)

Valerie Viehoff schreibt: "Als ich heute morgen um kurz nach 9.00 Uhr an der Liverpool Street die Central Line nehmen wollte, war die Station schon abgesperrt. Eine Polizistin sagte, am Bahnsteig hätte es eine Explosion gegeben. Ich bin jetzt an der Uni in Bedford, man hört ständig Sirenen. Weder Telefon noch Handy funktionieren. Zur Zeit fahren hier weder Busse, noch U-Bahnen noch Züge, dafür sind so viele Londoner zu Fuß auf den Straße unterwegs,wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Allerdings herrscht eigentlich keine Panik, vielleicht weil viele Leute immer noch nicht wissen, was eigentlich passiert ist." (12:51 MESZ)

"Das konnte kein reiner Stromausfall sein"

Der deutsche Jurist Hanno Erwes erzählt tagesschau.de : "Meine U-Bahn ist an mehreren Stationen vorbeigefahren, ohne anzuhalten. Später hielt der Zug und alle mussten aussteigen. Die Straßen waren brechend voll, viele Gebäude wurden evakuiert. Wie es hieß, war das Chaos in der U-Bahn wegen eines Stromaufalls entstanden. Aber als ich dann an der Victoria die Reihen von Polizei-Mannschaftswagen gesehen habe, war klar, dass es kein reiner Stromausfall sein konnte." (13:21 MESZ)

Konstanze Just hat ihr Büro im Finanzdistrikt, "dort alles ist großräumig abgesperrt. Polizei und Sirenen überall, der Verkehr ist komplettes Chaos. Gebäude werden evakuiert." (13:37 MESZ)

Alles abgeriegelt

Der Anwalt Andreas Gunst arbeitet drei Fußminuten vom U-Bahnhof Liverpool Street entfernt. Im Gespräch mit tagesschau.de sagt er: „Ich wollte um 09:20 Uhr auf die Straße. Aber da war totales Chaos. In meiner Firma arbeiten mehr als 500 Leute. Viele konnten wegen des Stromausfalls in der U-Bahn und des zusammengebrochenen Verkehrs nicht kommen. Einige haben sich bisher noch nicht gemeldet. Aber das kann auch daran liegen, dass die Telefone nicht richtig funktionieren. Heute Mittag kam man teilweise weder in den Finanzdistrikt rein noch 'raus." (13:50 MESZ)

Die ehemalige Tagesschau-Moderatorin Ina Bergmann lebt im Zentrum Londons. tagesschau.de erzählt sie, wie sie den Morgen erlebt hat: "Ich habe von den Vorfällen zuerst heute früh aus dem Radio erfahren. Vierhundert Meter von meinem Haus in Westminster ist Victoria Station, dieser sehr große Bahnhof ist weiträumig abgesperrt, der öffentliche Transport ist natürlich in der ganzen Innenstadt völlig zusammengebrochen. Meine Familie und ich wohnen in einer kleinen Seitenstraße, wenn ich aus dem Fenster sehe, wirkt alles sehr ruhig. Solange man nicht rausgeht auf die Hauptstraße, kriegt man wenig mit. Das Telefonnetz ist seit heute früh teilweise gestört. Ich kann nicht nach draußen telefonieren. Wir haben in London seit dem 11. September damit gerechnet, dass etwas passiert. Es war hier nie die Frage ob, sondern nur wann es zu einem Anschlag kommt." (14:00 MESZ)

Ruth Baum arbeitet in einem Büro in der Nähe des Zentrums. In ihrer Mittagspause erlebt sie ein völlig ungewohntes Bild auf den Straßen: „Der Verkehr ist etwa auf ein Zehntel des sonstigen Aufkommens reduziert. Es sind vor allem Krankenwagen, Polizei und Elektro-Installateure unterwegs. Gleichzeitig sind total viele Fußgänger unterwegs. Das Handynetz ist völlig überlastet. Die Behörden rufen dazu auf, nur im Notfall mit dem Handy zu telefonieren. Der „Evening Standard" verteilt kostenlose Ausgaben, in denen über die Anschläge berichtet wird. An jeder Ecke stehen Polizisten. Die Leute sind relativ ruhig. Sie wollen eigentlich nur wissen, ob es ihren Leuten gut geht und wie sie von A nach B kommen. Es fahren offenbar nur noch eine handvoll Busse. Die Busfahrer laufen teilweise auf der Straße rum und scheinen nicht so recht zu wissen, wie es weitergeht."(14:15 MESZ)