Kroatiens steiniger Weg in die EU "Die wollen uns doch gar nicht"
Seit Juni 2004 verhandelt Kroatien über den Beitritt zur Europäischen Union. Doch die großen Fortschritte lassen auf sich warten; ein Ergebnis scheint in weiter Ferne zu sein. Während aber die Politik ihre europäischen Ziele unbeirrt verfolgt, macht sich bei vielen Bürgern bereits Enttäuschung breit.
Von Christian Faul, ARD-Studio Südosteuropa
Die Bürger in Kroatien sind der Europäischen Union überdrüssig. Seit Jahren stehen sie vor der Tür und kommen nicht rein. „Das ist doch demütigend“, meint eine Frau. Sie ist Managerin in einem deutschen Unternehmen in der Nähe von Zagreb. "Viele sagen, wenn die uns nicht wollen, brauchen auch wir Europa nicht." Eine andere sagt: "Wir sind doch schon besser vorbereitet, als andere, die schneller reingekommen sind." Viel sei bereits versucht worden, fügt sie skeptisch hinzu. "Wir geben uns Mühe, wir sind nicht schlechter als Bulgarien und Rumänien."
Kroatien, der ewige Wartekandidat. Viele Menschen haben die Hoffnung verloren, Mitglied zu werden im Klub der Europäer. Die Verhandlungen gehen nur langsam voran, das schlägt vielen aufs Gemüt und kratzt am Selbstbewusstsein. "Diese Ambitionen", sagt ein anderer, "das ist doch unrealistisch. Unsere Regierung hat im Wahlkampf alles Mögliche versprochen, aber weder der Staat, noch die Bürger sind auf diesen Schritt wirklich vorbereitet.“
"Kroatien reicht"
Er ist 40 Jahre alt, hat ein kleines Unternehmen für elektronische Bauteile und ist ganz froh darüber, dass es bisher noch nichts wurde mit dem EU-Beitritt. "Meine Firma ist doch viel zu klein, um die Vorteile eines großen Marktes zu nutzen, mir reicht Kroatien. Ich befürchte, dass die Firma von der Bildfläche verschwinden wird oder bestenfalls ihre Selbständigkeit verlieren würde. Ich wäre dann nicht mehr der Boss, sondern ein einfacher Angestellter, völlig beherrscht von den großen Banken und Konzernen."
Hier wird schnell klar: Viele Kroaten haben Angst vor der EU, vor einem kalten Wind der Globalisierung, vor unmenschlichem Wettbewerb und vor allem vor steigenden Preisen. Tatsächlich: Kroatien ist schon längst nicht mehr Billiglohnland. Die Verlierer stehen schon fest: Bauern, Fischer, die schlecht Ausgebildeten und vor allem die Renter. Sie kommen mit der staatlichen Altersversorgung kaum über die Runden.
Politiker glauben an den Beitritt
Seit einigen Wochen versucht die Regierung die Menschen umzustimmen. Im Fernsehen wird immer öfter über die Vorteile eines Beitritts berichtet. Mitten in Zagreb wird Ende des Monats ein EU-Werbebüro eröffnet. Der größte Europa-Fan im Land ist der Ministerpräsident, Ivo Sanader. "Kroatien lebt heute schon europäische Werte und ich glaube, dass Kroatien einfach dazu gehört", sagt er und fügt hinzu: "Ich bin sicher, dass im Juni 2009 Kroatien als volles Mitglied der EU an der Europawahl teilnehmen wird."
Sanader ist der Ansicht, die Kommission verschleppe derzeit systematisch die Verhandlungen. Da hat er nicht Unrecht. Einige EU Mitgliedsstaaten, wie Großbritannien, beharren noch immer auf früheren Plänen, wonach Kroatien nicht allein, sondern nur zusammen mit den anderen Staaten des westlichen Balkans aufgenommen werden sollte. Das aber würde bedeuten: Kroatiens Weg in die EU wäre jahrzehntelang blockiert. Sanader zeigt sich dennoch optimistisch.
Verwaltungs- und Justizreform
Bis dahin aber stehen den 4, 5 Millionen Kroaten noch einige Reformen ins Haus. Die Verwaltung muss modernisiert werden und die Justiz arbeitet bei weitem nicht so, wie sich das die EU Kommission vorstellt. Hauptproblem ist noch immer die Korruption. Aber Kroatien macht deutliche Fortschritte: Das Pro-Kopf-Einkommen liegt höher als in einigen EU Mitgliedsländern und in vielen Bereichen schlägt sich EU-Recht schon längst in den nationalen Gesetzen nieder.
Ob derzeit in Kroatien eine Mehrheit der Wähler für oder gegen die EU ist, lässt sich kaum seriös feststellen. Die Umfragen schwanken und widersprechen sich. Der Ministerpräsident und oberster EU-Handlungsreisender in Kroatien aber zeigt sich unbeirrt: In den letzten Monaten, so meint Sanader, habe sich der Anteil der Befürworter stabil, bei etwas über 50 Prozent, eingependelt.