Riesiges neues Ministerium geschaffen Die Verteidigung des Heimatlandes
Nach den Anschlägen in New York und Washington hat die US-Regierung in Windeseile zahlreiche Sicherheitsgesetze verschärft und ein riesiges neues Ministerium für Heimatschutz eingerichtet. Damit stieß sie zunächst auf breite Zustimmung in der Bevölkerung. Inzwischen aber kommen Zweifel auf.
Von Anna Schröder und Felix Oelmann, tagesschau.de
Als in den Morgenstunden des 11. September binnen weniger Minuten die Zwillingstürme des World Trade Centers einstürzten, begruben sie nicht nur fast 3000 Menschen unter sich, sondern auch den amerikanischen Glauben an die eigene Unverwundbarkeit. Der Schock sitzt tief. Das Selbstverständnis der Amerikaner ist so nachhaltig erschüttert, dass die zum "Schutz vor dem Terrorismus" verabschiedeten massiven Sicherheitsmaßnahmen sowohl bei den beiden großen Parteien als auch im größten Teil der Bevölkerung auf breite Zustimmung stoßen.
Bereits kurz nach den Anschlägen in New York und Washington erklärte US-Präsident George W. Bush die Innere Sicherheit zum obersten Regierungsziel. Neun Tage später machte er den damaligen Gouverneur von Pennsylvania, Tom Ridge, zum Leiter des neu geschaffenen Amts für Heimatschutz. Am 26. Oktober 2001 unterzeichnete Bush den "Patriot Act", ein Gesetz zur "Einigung und Stärkung Amerikas durch Verordnung angemessener Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus". Die Gesetzesvorlage wurde mit nur wenigen Gegenstimmen vom Abgeordnetenhaus und vom Senat verabschiedet.
Weitgehende Befugnisse für die Justiz
Zahlreiche Bestimmungen des Sicherheitsgesetzes zielen auf eine stärkere Abschottung der Grenzen und eine schärfere Kontrolle von Ausländern. So wurden Einwanderungsverfahren zur Geheimsache erklärt, das Abhören von Telefonen erleichtert, die Rechte der Verteidigung eingeschränkt und die unbegrenzte Haft so genannter "wichtiger Zeugen" angeordnet. Im Zuge dieser neuen Gesetzgebung wurden auch die Lager auf der US-Marinebasis Guantánamo eingerichtet, in denen nach wie vor zahlreiche mutmaßliche Taliban-Kämpfer einsitzen – ohne Anklage, ohne Anwalt, auf unbegrenzte Zeit.
Die Beschwörung des amerikanischen Patriotismus hatte in den Monaten nach den Anschlägen zu einer weitgehenden Unterdrückung gegenläufiger Meinungen geführt. Kritiker waren nicht nur unerwünscht, sondern wurden der Sympathie für die Terroristen beschuldigt. Diese Zeiten aber sind mittlerweile vorbei. Unter dem Druck von Bürgerrechtsorganisationen, prominenten Juristen und einem Teil der Medien wurden inzwischen einige bereits erlassene Gesetze abgeschwächt und weitere bereits im Entstehen verhindert.
Innere Sicherheit als erste Priorität
Dennoch: Die Stimmung in der Bevölkerung hatte sich mit dem 11. September verändert. So stieß auch der Vorschlag von Präsident Bush im Juni 2002, aus dem Amt für Heimatschutz ein riesiges Superministerium zu machen auf breite Zustimmung.
Bush hatte sich nach den Terroranschlägen zunächst gegen eine umfassende Reform des bürokratischen Apparats gewehrt. Seine Kehrtwende wurde als Reaktion auf Enthüllungen gewertet, wonach der CIA und das FBI Erkenntnisse über die Terroristen vom 11. September entweder spät oder gar nicht ausgetauscht hätten. CIA und FBI sind dem neuen Ministerium aber nicht unterstellt, sondern arbeiten ihm nur zu.
Das "Department of Homeland Security" unter Führung von Minister Tom Ridge hat inzwischen die Arbeit aufgenommen. Es nimmt Aufgaben wahr, für die zuvor 22 separate Behörden zuständig waren. Für die Bush-Regierung ist die Einrichtung dieses Ministeriums die wichtigste und umfassendste Veränderung in der amerikanischen Regierungspolitik seit der Einrichtung des US-Verteidigungsministeriums im Jahr 1947.
Klebeband und Bedrohungsindikatoren
Die Superbehörde hat vier Hauptaufgaben: Grenzen sichern, in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden auf Katastrophen vorbereiten, wissenschaftliche Methoden entwickeln, mit denen ABC-Waffen rechtzeitig entdeckt werden können, und die Kommunikation zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden steuern.
Die öffentlichkeitswirksamste Maßnahme von Minister Ridge war bislang die Einführung einer fünfstufigen Farbskala zur Darstellung der aktuellen Terrorgefahr. Dieser Bedrohungsindikator, der bei Grün ("Low") beginnt und über Blau, Gelb und Orange bis Rot ("Severe") reicht, soll Bevölkerung wie auch Behörden und Institutionen auf eventuell zu erwartende Anschläge vorbereiten und die Einleitung präventiver Maßnahmen bis hin zur Schließung öffentlicher Einrichtungen veranlassen. Seit Einführung dieses Systems im März 2002 wurde die Warnfarbe bereits mehrfach verändert. Vor dem Jahrestag der Anschläge von New York im September letzten Jahres wurde erstmals "Code Orange" ausgerufen, die zweithöchste Alarmstufe. Seitdem wurde diese Warnstufe bereits mehrmals wieder ausgerufen, etwa vor Beginn der Kampfhandlungen im Irak am 17. März dieses Jahres.
Habt keine Angst, doch seid vorbereitet
Manchen allerdings ist der Bürokratie-Koloss am Rande von Washington DC mit seinen über 170.000 Mitarbeitern im ganzen Land ein Dorn im Auge. In den Augen der Kritiker dient das Ministerium bis jetzt im Wesentlichen der Förderung von Paranoia in der amerikanischen Bevölkerung. So sorgte Ridge im Januar 2003 für Aufregung, als er im Zuge der Erhöhung der Terrorwarnstufe den Kauf von Klebeband und Plastikfolien empfahl, um damit Fenster und Fugen abzudichten. Dies hatte leergekaufte Regale in Baumärkten sowie Hohn und Spott in der Presse zur Folge. Nicht erst seit diesem Zeitpunkt findet sich der Minister regelmäßig als Hauptfigur in politischen Cartoons wieder. Angesichts zahlreicher kritischer Stimmen wurden mittlerweile zahlreiche Reformen in der Behörde eingeleitet.
Die nach dem 11. September von der Behörde aufgestellten Pläne für den Notfall wurden vor einigen Wochen erstmals in die Praxis umgesetzt: Nach dem massiven Stromausfall im Nordwesten der USA, der bei vielen New Yorkern die Erinnerungen an die Tage der Anschläge wachrief, hätten sich die Notfallpläne sehr gut bewährt, teilte das Ministerium mit.