Brexit-Chaos in London Labour will Brexit-Votum vor Weihnachten
Nach dem erfolglosen EU-Gipfel in Brüssel sucht Großbritannien weiter nach einer Lösung im Brexit-Dilemma. Doch diese ist nicht in Sicht. Nun will Labour eine Brexit-Abstimmung vor Weihnachten erzwingen.
Nach einer turbulenten Woche suchen die politischen Lager in London nach einem Ausweg aus der Sackgasse. Doch dieser scheint in weiter Ferne. Ob Premierministerin Theresa May den Entwurf des Brexit-Abkommens durch das Parlament bekommt, ist weiter fraglich. Die Regierung kündigte eine Abstimmung bis spätestens 21. Januar an.
Die größte Oppositionspartei Labour kündigte dagegen an, bereits in den den nächsten Tagen über den Entwurf abzustimmen. "Wir werden in der kommenden Woche alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Regierung zu einer Abstimmung noch vor Weihnachten zu zwingen", sagte der Labour-Abgeordnete Andrew Gwynne der BBC. Wie Labour die Regierung dazu zwingen will, die Abstimmung voranzubringen, sagte Gwynne allerdings nicht.
"Es ist klar, dass die EU das Problem versteht"
Handelsminister Liam Fox kündigte dagegen an, eine Entscheidung über den Entwurf werde erst im kommenden Jahr fallen. Die Gespräche mit Brüssel um weitere "Zusicherungen" für das Parlament zu gewährleisten, würden einige Zeit in Anspruch nehmen. "Es ist sehr klar, dass die EU das Problem versteht", sagte Fox der BBC.
Zugleich lehnte Premierministerin May Forderungen nach einer zweiten Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens erneut ab. "Das Parlament hat die demokratische Pflicht, das umzusetzen, wofür das britische Volk gestimmt hat", sagte May nach Angaben mehrerer Medien. Sie warf dem früheren Labour-Premierminister Tony Blair demnach vor, die Verhandlungen zu untergraben, indem er für ein zweites Referendum trommele.
Allerdings sollen offenbar auch Vizeregierungschef David Lidington und Stabschef Gavin Barwell hinter Mays Rücken ein zweites Referendum vorbereiten. Lidington habe am Donnerstag Labour-Abgeordnete getroffen, um eine "parteiübergreifende Koalition" für eine neue Volksabstimmung zu schmieden, schreibt die "Sunday Times". Auch Arbeitsministerin Amber Rudd und Finanzminister Philip Hammond neigten zu einer zweiten Volksabstimmung, sollten alle anderen Möglichkeiten erschöpft sein.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel hat Premierministerin May vergeblich für weitere Zugeständnisse geworben.
Die Tories sind tief gespalten
Mays Tories sind tief gespalten. Am vergangenen Montag hatte die Premierministerin eine Abstimmung im britischen Unterhaus über ihr Brexit-Abkommen zurückgezogen, weil ihr eine verheerende Niederlage drohte - trotz konservativer Mehrheit.
Am Mittwoch überstand May eine Vertrauensabstimmung in der eigenen Fraktion - allerdings stellte sich mehr als ein Drittel der Abgeordneten ihrer eigenen konservativen Partei gegen die Regierungschefin. Am Montag wird May im Unterhaus sprechen. Am Dienstag trifft sie ihr Kabinett.
Außenminister Jeremy Hunt ist dagegen weiterhin optimistisch, dass der vorliegende Entwurf durchs Unterhaus kommen könnte - wenn die EU Zugeständnisse beim sogenannten Backstop macht, der Notfallregelung für Nordirland, sagte er der BBC.
Weitere Zugeständnisse der EU gelten allerdings als ausgeschlossen. May hatte sich während des EU-Gipfels in Brüssel am Donnerstag und Freitag vergeblich um Zusicherungen von Seiten der EU bemüht, um das Brexit-Abkommen durchs britische Parlament zu bekommen.
Hunt kann sich jedoch auch vorstellen, die EU auch ohne Vereinbarung zu verlassen. "Ich habe immer gedacht, dass dies selbst in einer No-Deal-Lage ein großartiges Land ist. Wir werden einen Weg finden, zu blühen und zu gedeihen", sagte Hunt. Die Regierung müsse sich auf den erwarteten wirtschaftlichen "Bruch" bei einem Austritt ohne Abkommen vorbereiten.
Noch ein Misstrauensvotum?
Der "Guardian" berichtet, bei Labour gebe es inzwischen Überlegungen, in der kommenden Woche auch ein parlamentarisches Misstrauensvotum einzubringen. Dafür reicht eine einfache Mehrheit, die dann zustande kommen könnte, wenn die nordirische Regionalpartei DUP oder einige konservative Abgeordnete mit der Opposition stimmen.
Eine Regierungsübernahme durch Labour wäre damit jedoch nicht unmittelbar verbunden, denn die Konservativen hätten anschließend zwei Wochen Zeit, die Regierung May zu stützen oder eine neue Regierung unter einem anderen Tory-Premierminister zu bilden.
Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon sagte, ein Misstrauensantrag gegen die Regierung könne Erfolg haben. "Wir haben eine schwache und instabile Regierung, deren Zustand sich jeden Tag verschlechtert", sagte sie Sky News.
Sollte das Parlament aber wie geplant am 21. Januar über den Entwurf abstimmen, bleiben nur noch gut neun Wochen bis zum Austrittstermin am 29. März. Nur wenige Beobachter glauben daran, dass die britischen Abgeordneten Entwurf zustimmen werden - ein harter Brexit ohne jegliches Abkommen wird immer wahrscheinlicher.