Optionen nach Irlands Ablehnung des Lissabon-Vertrags Was die EU nach dem Nein der Iren tun kann
Nachdem die Iren den Vertrag von Lissabon abgelehnt haben, ist die EU wieder einmal in einer schweren Krise. Und die Staats- und Regierungschefs sind ziemlich ratlos, wie sie sie lösen können. Es gibt einige Möglichkeiten, aber jede Lösung hat gravierende Nachteile.
Das Nein der Iren hat die Europäische Union einmal mehr in eine schwere Krise gestürzt. Und die Staats- und Regierungschef der EU-Staaten sind ziemlich ratlos, wie sie sie lösen sollen. Rein theoretisch wären folgende Möglichkeiten denkbar:
EIN NEUER VERTRAG: Dies war die Lösung, als die Niederlande und Frankreich 2005 gegen den Verfassungsentwurf stimmten. Der Reformvertrag von Lissabon ist ein mühsam erzielter Kompromiss, der wesentliche Teile der Verfassung beinhaltet. Ein neuer Vertrag würde bedeuten, dass auch die Ratifizierung noch einmal neu beginnt. Staaten, die bereits die Verfassung und den Lissabon-Vertrag ratifizierten, müssten ein drittes Mal über die Ratifizierung entscheiden. Unter anderem deshalb und wegen der äußerst mühsamen Verhandlungen, die zum Lissabon-Vertrag geführt haben, gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass ein weiterer neuer Entwurf zur Reform der EU ausgehandelt werden wird.
EIN NEUES REFERENDUM IN IRLAND: Dies hat es in Irland bereits gegeben, nachdem die Iren 2001 den Nizza-Vertrag scheitern ließen. Ebenso wie damals wären auch jetzt ergänzende Erklärungen oder Klarstellungen der EU nötig, mit denen die Regierung eine neue Abstimmung rechtfertigen könnte. Dies könnten Erklärungen zur Neutralität, zur Steuerpolitik oder zur Abtreibungsfrage sein. Auch ein neues Referendum könnte aber scheitern. Die EU wäre dann in einer noch schwierigeren Lage.
KERNEUROPA: Darunter versteht man einen Kern von Staaten, die zu weitgehender politischer Integration bereit sind, während andere weniger Integration wollen und daher nicht zu dem Kern gehören. Es ist völlig unklar, wie dies institutionell und juristisch funktionieren könnte. Der Lissabon-Vertrag kann nur einstimmig angenommen werden, anderenfalls gilt der Nizza-Vertrag weiter. Keiner dieser beiden Verträge sieht Regelungen für einen "Kern" vor. Neben den juristischen Problemen gibt es bei vielen europäischen Regierungschefs aber auch erhebliche politische Vorbehalte gegen ein Kerneuropa.
ALLES BLEIBT WIE ES WAR: Wenn der Lissabon-Vertrag nicht ratifiziert wird, gilt der Nizza-Vertrag von 2003 weiter. Seine Entscheidungsmechanismen sind komplizierter, er sieht keine so enge Zusammenarbeit in der Außenpolitik und keine so große Rolle nationaler Parlamente vor. Auch das EU-Parlament hat nach dem geltenden Nizza-Vertrag weniger Rechte als ihm im Lissabon-Vertrag zukommen würden. Der Nizza-Vertrag ist auf 27 Mitgliedstaaten ausgelegt und schränkt dadurch die Erweiterungsmöglichkeiten der EU ein. Die EU-Regierungen müssten sich bereits bis zum Frühjahr auf eine - im Nizza-Vertrag festgelegte - Verkleinerung der EU-Kommission und einen Mechanismus für die Rotation der Kommissare zwischen den EU-Staaten einigen. All das ist bereits im Vertrag von Lissabon geregelt - wenn er denn in Kraft träte.