Bürgerkriegs-Flüchtlinge "Lieber Zelt im Libanon als Schloss in Syrien"
Die libanesische Regierung will syrische Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat bewegen. Viele haben jedoch Angst vor dem Assad-Regime und wissen nicht, wo und wie sie in dem zerstörten Land leben sollen.
Saleh sitzt auf einer dünnen Matratze. Viel mehr Komfort hat sein Zelt nicht zu bieten. Immerhin: Es schützt vor der sengenden Hitze. Saleh hat ein winziges Stück Land gepachtet, an einer Straßenkreuzung in der libanesischen Bekaa-Ebene nahe der Grenze zu Syrien - Salehs Heimat.
Wenn er von der Provinz Idlib erzählt, leuchten seine Augen: "Wir haben auf dem Land gelebt. Ich hatte einen Acker. Die Kinder und ich haben dort gearbeitet. Gerste und Weizen waren bei uns in Syrien sehr billig." Deshalb hätten sie Kümmel und Linsen angebaut. "Die konnten wir zu einem guten Preis verkaufen. Außerdem hatten wir zehn Schafe, von ihnen haben wir Milch und Käse bekommen. Ich hatte ein Motorrad. Mit dem bin ich in die Stadt gefahren, um Brot und Essen einzukaufen."
Flucht vor der Bombardierung
Ein einfaches Leben - aber Saleh und seiner Familie mangelte es an nichts. Bis in Syrien der Krieg begann - zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Baschar al-Assad: "Am Anfang hatten wir keine Angst. Es gab nur wenige Luftangriffe. Erst als die Fassbomben auf unser Dorf fielen und die Rauchwolken unser Haus erreichten, sind wir in den Libanon geflohen."
Sieben Jahre ist das jetzt her. Seitdem leben Saleh, seine Frau und seine zwölf Kinder in Ghazze. Etwa 15.000 Syrer haben hier Zuflucht gefunden - dreimal mehr als die Gemeinde Einwohner hat. Entlang den Straßen und an Dorfrändern stehen niedrige Zelte aus Brettern und Planen. Auch Maha wohnt in einem solchen Zelt.
Die 30-Jährige hat mit ihrem Mann das Land verlassen, als in Homs der Krieg begann. "Es geht uns schlecht. Aber Gott sei Dank: Wir leben noch. Und es geht weiter. Wir bekommen keine Hilfe, nichts, aber wir leben."
Vier Kinder auf der Flucht geboren
Seit acht Jahren lebt Maha mit ihrer Familie in einem Zelt. In wenigen Wochen erwartet sie ihr viertes Kind. Ihre drei Töchter sind bereits im Libanon zur Welt gekommen. Die Familie muss mit umgerechnet 240 Euro auskommen - im Monat. So viel verdient Mahas Mann, weil er in einem Kuhstall arbeitet.
Vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen bekommt die Familie keine Unterstützung mehr. "Wir haben leider einen Punkt erreicht, an dem wir nicht allen helfen können. Nicht alle Flüchtlinge erhalten die gleiche humanitäre Hilfe. Unsere Mittel und Ressourcen sind begrenzt", erklärt Lisa Abou Khaled vom UNHCR in Beirut.
Lage im Libanon immer schwieriger
Für viele Flüchtlinge aus Syrien wird das Leben im Libanon immer schwerer. Selbst für wenig Geld müssen sie hart arbeiten, und die Preise für die Miete von Grundstücken, Strom und Wasser steigen. "Die, die mit Geld hierher kamen, haben ihr Geld bald schwinden sehen und kämpfen jetzt, über die Runden zu kommen - überhaupt ihre notwendigsten Bedürfnisse zu erfüllen."
Kein Staat hat, gemessen an seiner Einwohnerzahl, mehr Flüchtlinge aufgenommen als der Libanon. Anfangs waren sie willkommen, seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die die Syrer so schnell wie möglich wieder loswerden wollen. Das Land sei überlastet, argumentiert der libanesische Außenminister Gebran Bassil.
Anfang Juli riss die Armee im Libanon gemauerte Unterkünfte von syrischen Flüchtlingen ab. Libanesischem Recht zufolge dürfen sie keine Häuser aus Stein bauen. Ein Grund, warum Saleh mit seiner Familie auch sieben Jahre nach seiner Flucht noch immer in einem Zelt lebt. Gleichzeitig steigt der Druck auf die Flüchtlinge, das Land zu verlassen.
Flüchtlinge müssen illegal errichtete Häuser im Camp abreißen.
Keine Sicherheit in Syrien
Saleh kann sich nicht vorstellen, nach Syrien zurückzukehren - aus Sicherheitsgründen: "Ich bin in Syrien auf die Welt gekommen. Auch mein Vater und mein Großvater wurden dort geboren. Wenn ich an Syrien denke, kommen mir die Tränen." Aber Sicherheit gäbe es dort nicht. "Wenn Sie einen Acker haben, wird er verbrannt. Wenn Sie Schafe haben, werden sie beschlagnahmt. Wenn Ihr Sohn dagegen protestiert, wird er sofort erschossen. Ist das etwa sicher?"
Auch der Politikberater Ziad El Sayegh warnt davor, die Flüchtlinge einfach nach Syrien zurückzuschicken. Er hält den Vorschlag für populistisch - und kritisiert die libanesische Regierung: "Am Ende werden sie sich zusammensetzen und eine Lösung finden - aber eine, die ihre Posten und ihre Macht bewahrt. Keine Lösung, die die menschliche Würde respektiert."
Die Hoffnung, sein Haus und seinen geliebten Acker jemals wiederzusehen hat Saleh inzwischen aufgegeben. Seine erwachsenen Kinder haben geheiratet, seine Enkelkinder wachsen im Libanon auf. Saleh hat seinen gesamten Besitz verloren - aber er und seine Familie fühlen sich in Sicherheit. "Hier im Libanon haben wir ein Zelt. Sehen Sie das Zelt hier? Es ist mir viel lieber als ein Schloss in Syrien."