Wie mit den tunesischen Flüchtlinge verfahren? Faire Verteilung oder schnelle Rückführung?
Wie soll sich die EU auf die nach Norden strebenden tunesischen Flüchtlinge reagieren? Grünen-Chef Özdemir plädierte für eine faire Lastenteilung zwischen Süd- und Nordeuropa. Auch die EU-Finanzminister beschäftigen sich heute mit den Umwälzungen in Nordafrika und möglichen Kontosperrungen.
Deutsche Politiker sind sich uneins, wie auf den verstärkten Strom tunesischer Flüchtlinge nach Italien zu verfahren sei. Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich offen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika. "Der Norden darf den Süden dabei nicht alleine lassen", sagte Özdemir der "Rheinischen Post". Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström und die EU-Innenminister müssten sich umgehend zusammensetzen und zu einer "fairen Lastenverteilung" kommen.
SPD-Innenexperte Sebastian Edathy wies in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" darauf hin, dass die Asylbewerberzahlen dramatisch gesunken seien und die Aufnahme eines bestimmten Kontingents somit verkraftbar sei. Er appellierte an die Bundesregierung, beim Treffen der EU-Innenminister in der nächsten Woche konkrete Hilfszusagen zu machen. "Wir brauchen dringend eine europäische Quotenregelung, die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme auf die 27 EU-Länder verteilt", sagte der SPD-Politiker.
Die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke, verlangte in dem Blatt, Deutschland müsse seine Blockadehaltung gegenüber einer solidarischen Regelung innerhalb der EU endlich aufgeben. Zudem müsse die Bundesregierung darauf hinwirken, dass Italien seine Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention einhalte, forderte sie. Das bedeute, dass Italien den Asylsuchenden Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewähre.
Dagegen forderte Staatssekretär Ole Schröder (CDU) vom Bundesinnenministerium eine Stabilisierung der Lage in Tunesien. "Die Menschen sollten vor Ort den Übergangsprozess gestalten und am Aufbau in Tunesien mitwirken anstatt das Land zu verlassen", sagte der CDU-Politiker der Zeitung. Auch wenn es im Einzelfall nachvollziehbar sei, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen in die EU kommen wollten, so sei es "nicht Aufgabe des Asylrechts, Wirtschaftsmigranten in die EU zu lassen." Ähnlich hatte sich auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière in den Tagesthemen geäußert.
Uhl: Migrationsdruck auf Europa wächst
Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl verlangt einen besseren Schutz der EU-Grenzen. Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse mit einer effektiven Küstenwache, größeren Zuständigkeiten und mehr Personal ausgestattet werden, sagte Uhl der "Passauer Neuen Presse". Nötig sei ein konsequentes Vorgehen gegen solche EU-Staaten, die Flüchtlinge massenweise weiterreisen ließen. In diesem Fall müssten Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem Schengen-Verbund möglich sein. Uhl warnte davor, dass der "Migrationsdruck" nach Europa künftig noch deutlich größer werde.
Etwa vier Wochen nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine al Abidine Ben Ali waren in den vergangenen Tagen mehr als 5000 Tunesier auf die italienische Insel Lampedusa geflohen.
Umwälzungen in Nordafrika beschäftigen die EU-Finanzminister
Die finanziellen Folgen des Machtwechsels in Ägypten und Tunesien stehen heute im Fokus des EU-Finanzministertreffens in Brüssel. Frankreich pocht auf eine Diskussion, wie man die demokratischen Bewegungen in Ägypten und Tunesien unterstützen könne. Ressortchefin Christine Lagarde sagte in Brüssel: "Es geht beispielsweise um die Rolle der Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank."
Thema ist auch ein mögliches Einfrieren von Vermögenswerten von ehemaligen Amtsträgern des Mubarak-Regimes. Lagarde bestätigte, dass Ägypten bei mehreren EU-Staaten um eine Sperrung der Konten gebeten hatte. Nach Angaben aus EU-Kreisen soll auch Hosni Mubarak selbst zu den Betroffenen gehören, was von Lagarde aber nicht bestätigt wurde.