Ex-US-Außenminister Henry Kissinger mit 100 Jahren gestorben
Henry Kissinger floh als 15-Jähriger in die USA vor den Nazis - ein Erlebnis, das ihm zeigte, wie wichtig Freiheit ist. Nach seinem Tod bleibt er als knallharter und einflussreicher Politiker in Erinnerung.
Kaum jemand hat die Außenpolitik der USA im 20. Jahrhundert so sehr geprägt wie er: Henry Kissinger. 1923 kommt er als Heinz Alfred Kissinger im mittelfränkischen Fürth auf die Welt, als Sohn einer jüdischen Familie. In seiner Kindheit spielt Heinz begeistert Fußball und liest gerne deutsche Klassiker. Dazu sagte er einmal: "Wir hatten kein Radio und ich habe sehr viel gelesen. Ich habe Schiller mit größtem Enthusiasmus gelesen. Goethe auch, aber ich war noch zu jung, um den zu verstehen."
Mit 15 Jahren Flucht in die USA
Dann kommen die Nazis in Deutschland an die Macht. Im Alter von 15 kann Heinz mit seinen Eltern und seinem Bruder gerade noch rechtzeitig vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fliehen.
Es waren schwierige Zeiten, es war kein Vergnügen. Aber es hat mir auch gezeigt, wie wichtig die Freiheit ist.
In seiner neuen Heimat New York wird dann aus Heinz Kissinger Henry Kissinger. Seine deutsche Herkunft legt er aber nie ganz ab. Zeitlebens behält er im Englischen einen starken deutschen Akzent. Während des Zweiten Weltkriegs kehrt Kissinger dann zurück nach Deutschland - als US-Soldat.
Dazu sagte er einst: "Ich hatte das Glück, dass mir erlaubt wurde, an Dingen zu arbeiten, die für mich so entscheidend waren: Wie man helfen kann, erst ein Land wieder aufzubauen, wie ich in der Besatzung war als junger Soldat." Und dann Schritt für Schritt habe er von höheren Positionen aus mitgearbeitet, um zu verhindern, dass diese Katastrophen wieder entstünden, so Kissinger.
Studium in Harvard
Zurück in den USA studiert Kissinger an der Elite-Universität Harvard, lehrt dort und macht sich als Spezialist für internationale Politik einen Namen. Ende der 1960er-Jahre holt ihn der republikanische Präsident Richard Nixon als Nationalen Sicherheitsberater ins Weiße Haus. Später wird Kissinger Außenminister.
Wenn mich irgendetwas auf diese Karriere vorbereitet hat, dann ist es, dass ich im Chaos groß geworden bin.
Dazu gehören auch der Krieg und das Erleben sehr komplexer und gefährlicher Situationen, so Kissinger. "Ich habe die Überzeugung entwickelt, dass dieses außergewöhnliche Schicksal eine Verpflichtung ist, mein Bestes zu geben."
Henry Kissinger gestikuliert im East Room des Weißen Hauses neben dem damaligen Präsidenten Richard Nixon.
Ein knallharter Politiker aus Leidenschaft
In seinen politischen Ämtern setzt Kissinger die Interessen der USA knallhart durch. Kritiker werfen ihm vor, dabei skrupellos vorgegangen zu sein. Kissinger soll unter anderem den Militärputsch in Chile 1973 unterstützt haben. Außerdem machen seine Kritiker ihn für US-Bombenangriffe auf Kambodscha während des Vietnamkriegs mitverantwortlich. Ein Thema, über das er bis zuletzt nicht gerne redete. "Wir haben mit Drohnen und allen möglichen Waffen jede Guerilla-Einheit bombardiert, die sich uns entgegengestellt hat. Das war in jeder Regierung so, egal welcher Partei. Das war damals ein notwendiger Schritt."
1973 bekommt Kissinger den Friedensnobelpreis für Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Vietnamkrieg. Die Entscheidung des Nobel-Komitees ist hoch umstritten. Kissinger macht sich aber auch einen Namen, indem er sich für Entspannung zwischen den USA und der Sowjetunion sowie eine vorsichtige Annäherung an China einsetzt.
Henry Kissinger, der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (l-r) sitzen bei einer Pressekonferenz nebeneinander.
Kissinger bleibt einflussreicher Berater
1977 endet Kissingers Amtszeit. Der Republikaner bleibt aber auch danach ein einflussreicher Berater, schreibt Bücher und schaltet sich bis zuletzt immer wieder in politische Debatten ein. Der frühere US-Präsident George W. Bush teilt zum Tod von Kissinger mit: Die USA hätten "eine der verlässlichsten und markantesten Stimmen in der Außenpolitik verloren".