Fünf Jahre nach Mord an Khashoggi Ein Paria-Staat ist Saudi-Arabien nicht mehr
Vor fünf Jahren wurde der saudi-arabische Regimekritiker Khashoggi ermordet. Viele vermuten bis heute eine Verstrickung des Kronprinzen bin Salman. Politische Folgen hatte der Mord aber nicht für ihn.
In schwarzem Jackett und mit grauer Jeans betrat Jamal Khashoggi das saudi-arabische Konsulat in Istanbul. Diese Aufnahmen einer Überwachungskameras sind die letzten veröffentlichten Bilder, die den Journalisten zeigten. Das Konsulat hat er nicht lebend verlassen. Khashoggis Leiche wurde bis heute nicht gefunden. Hochrangige türkische Regierungsvertreter sagen, sie sei vermutlich in Säure aufgelöst worden.
In den Wochen nach der Tat kamen immer neue gruselige Details des Mordes ans Tageslicht. 15 Männer wurden dafür aus Saudi-Arabien eingeflogen - unter ihnen ein Pathologe mit einer Knochensäge im Gepäck, finden türkische Ermittler heraus. Die Indizien sind so eindeutig, dass schließlich auch Saudi-Arabien den Tod Khashoggis nicht mehr leugnen konnte.
Vom angeblichen Faustkampf zum Auftragsmord
Nach knapp drei Wochen ließ das saudi-arabische Fernsehen eine Erklärung des Generalstaatsanwaltes verlesen: In dieser wird zunächst zwar noch behauptet, nach einem Streit sei es zu einem Faustkampf gekommen, in dessen Folge Khashoggi gestorben sei. Doch mit dieser Version kommt Saudi-Arabien nicht lange durch.
Internationale Medien und Ermittler konzentrierten sich bald auf die Frage, wer den Mord in Auftrag gegeben haben könnte: Sie kommen zu dem Schluss, dass Mohammed bin Salman persönlich die Tat anordnete - der Kronprinz und mächtige Mann in Saudi-Arabien. Der lehnte jede Verantwortung ab und verwies auf Ermittlungen der saudischen Justiz.
Ihre Transparenz stellen Beobachterinnen jedoch massiv in Frage. Kristin Diwan forscht an einem Thinktank in Washington über die Politik der arabischen Golfstaaten. Sie ist sich sicher: "Wenn man sich das Ergebnis anguckt, dann ist klar: Wichtige Personen aus dem Herrscherhaus waren vor der Strafverfolgung geschützt."
Acht Schuldsprüche
2019 wurden in Saudi-Arabien acht Männer für den Mord an Khashoggi verurteilt - fünf von ihnen erhielten die Todesstrafe, die später jedoch in Haftstrafen abgemildert wurde. Vergangenes Jahr endete auch die juristische Aufarbeitung in der Türkei. Zum Leidwesen von Menschenrechtsorganisationen wurde der dortige Prozess gegen 26 tatverdächtige Saudis in die Zuständigkeit Saudi-Arabiens verlegt. Diwan vermutet, dass die saudi-arabische Justiz nicht mehr viel Aufhebens um den Fall tun wird. Aus ihrer Perspektive sei es eindeutig: Man wolle mit der Angelegenheit komplett abschließen. "Je schneller der Fall aus der Öffentlichkeit verschwindet, desto besser für sie," so Diwan.
Großes Thema in den USA
Politisch war der Mord vor allem in den USA ein großes Thema: Khashoggi lebte dort und war regelmäßiger Kolumnist der "Washington Post". Nachdem die Trump-Regierung sich mit Sanktionen zurückhielt, fand Joe Biden im Wahlkampf 2019 deutliche Worte. Er sagte damals, Khashoggi sei ermordet und zerstückelt worden. Und: Er glaube, auf Anweisung des Kronprinzen.
Ich sage es klar: Wir werden ihnen nicht mehr Waffen verkaufen. Wir werden sie dazu bringen, einen Preis zu zahlen und sie zu dem Paria machen, der sie sind.
Tatsächlich schränkte Bidens Regierung den Verkauf von Waffen an Saudi-Arabien ein und verhängte Sanktionen gegen mehrere saudische Staatsbürger - nicht aber gegen den Kronprinzen selbst. Bin Salman ist heute, fünf Jahre nach der Tat, alles andere als ausgegrenzt: Im vergangenen Jahr empfing er den US-Präsidenten in der Hafenstadt Dschidda, er nimmt an G20- und anderen internationalen Gipfeltreffen teil und gibt westlichen Medien große Interviews.
Bin Salman: "Es war ein Fehler"
Vor knapp zwei Wochen sprach er im Programm des US-Senders Fox News auch über den Mord an Khashoggi. Er sagte: "Es war ein Fehler, es war schmerzhaft. Wir versuchen, unser System weiterzuentwickeln, um zu gewährleisten, dass jeder sicher ist. Nicht nur in Saudi-Arabien, sondern auf der ganzen Welt."
Ob das auch für sie gilt, daran zweifeln saudische Regimekritiker im Exil. Den Mord vor fünf Jahren haben sie auch als Warnung an sich selbst verstanden. Diese Botschaft sei auch heute noch aktuell, sagt die Forscherin Diwan. Kritiker im Land wurden ihrer Ansicht nach zum Schweigen gebracht. Es gebe keinen Raum dafür, den Kronprinzen oder Projekte seiner Regierung zu kritisieren.
Außerdem meint Diwan: "Im Ausland haben sich einige saudische Oppositionelle organisiert, aber ich bin überzeugt davon, dass sie spüren: Ihre Forderungen nach mehr Freiheiten, vor allem nach Meinungsfreiheit werden international nicht mehr allzu stark unterstützt."