EU-Außenminister beraten über Kaukasus-Konflikt Viel Verdruss, aber keine formelle Schuldzuweisungen
Die EU will ihren Beitrag zur Stabilisierung der Lage im Kaukasus leisten und Helfer schicken. Doch bei der Bewertung der Vorgänge hält man sich noch zurück. Schuldzuweisungen vermieden die EU-Außenminister bei ihrem Treffen - zumindest in der offiziellen Abschlusserklärung.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Weder Russland noch Georgien werden in der Abschlusserklärung des EU-Außenministertreffens kritisiert. Offiziell verzichtet die EU auf eindeutige Schuldzuweisungen, doch hinter verschlossenen Türen wurde viel Verdruss deutlich. Allen voran der britische Außenminister David Miliband geißelten das - wie er nach dem Treffen sagte - "völkerrechtswidrige Vorgehen" Russlands.
Steinmeier: Alle Kanäle offenhalten
Auch andere Mitgliedsländer hätten sich sehr kritisch geäußert, räumte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein. Er selbst warnte davor, jetzt Russland an den Pranger zu stellen. Man müsse angesichts der fragilen Lage in der Region mit einem ungesicherten Waffenstillstand alle Kanäle offenhalten. Denn Stabilität in der Region sei nur mit Russland zu erreichen, nicht gegen Russland, so Steinmeier. Und deswegen hat der Deutsche kein Verständnis für die britische Idee, Russland nicht mehr als vollwertiges Mitglied der G8-Staatengruppe zu behandeln.
Steinmeier hält auch nichts davon, die gerade begonnenen Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Moskau einzufrieren: "Ob man Russland wirklich treffen kann, wenn man die Verhandlungen aussetzt oder gar nicht erst beginnt, wage ich zu bezweifeln." Man habe keine Zeit für lange Diskussionen über die Ursache des jüngsten Krieges, so die Haltung der Deutschen, der sich auch andere Außenminister anschlossen. Diese harte Diskussion wird aber noch kommen. Kurzfristig müsse es darum gehen, humanitäre Hilfe zu verstärken und die Sprachlosigkeit zu überwinden.
Die Europäer sind auch bereit, ihren Beitrag zur Stabilisierung zu leisten. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner beklagte, dass die OSZE und die UNO vor Ort zu wenig Personal hätten. Auch die EU wolle direkt intervenieren: "Wir sind entschlossen, vor Ort zu handeln", so Kouchner. Die EU-Kommission und der Außenbeauftragte Solana seien beauftragt, dies vorzubereiten. "Heute gab es viele, die sagten: Wir sind dabei. Aber wie nennt man das? Truppen? Nein. Peace-Keaper? Nein, zumindest im Moment nicht."
Aufbauhelfer und Beobachter - das scheint die Mission zu sein, auf die sich Europa einrichtet. Dass Russland auch Friedenstruppen akzeptieren würde, erschien einigen Außenministern als wenig wahrscheinlich. Man könne sich nicht entziehen, wenn ein europäischer Beitrag erwünscht sei, so Steinmeier. "Wir werden dann zu entscheiden haben, wie wir uns an einem solchen europäischen Beitrag beteiligen müssen." Doch diese Diskussion sei noch nicht beendet.
Sondersitzung der NATO beantragt
Wie überhaupt die Außenminister sich vor Augen halten mussten, dass es bisher nur einen brüchigen Waffenstillstand gebe und einen Sechs-Punkte-Plan auf dem Papier. Es gebe viel Arbeit, so Frankreichs Außenminister Kouchner. "Etwas zu versprechen ist leicht, es zu tun, etwas Anderes." Die meisten EU-Außenminister werden voraussichtlich nächste Woche schon wieder in Brüssel sein: Die USA haben eine Sondersitzung der NATO beantragt.