Fragen und Antworten Warum ist der Jerusalem-Streit so heikel?
Die israelische Regierung sitzt in Jerusalem, ausländische Staatsgäste fahren regelmäßig in die Stadt. Warum ist die Entscheidung, die US-Botschaft dorthin zu verlegen, dennoch brisant? Was bezweckt Trump mit seinem Schritt, und was riskiert er? Und was bedeutet er für Israel-Reisende? tagesschau.de fasst die wichtigsten Aspekte zusammen.
Wo liegt der Ursprung des Streits um Jerusalem?
Mit Ende des britischen Mandats für Palästina hatten die Vereinten Nationen sich 1947 für eine internationale Verwaltung der Stadt ausgesprochen, die von Gläubigen aller drei Weltreligionen als Heiligtum verehrt wird. Im ersten Nahost-Krieg 1948 eroberte der neu gegründete Staat Israel jedoch den westlichen und Jordanien den östlichen Teil Jerusalems. Damit war die Stadt de facto geteilt. Während des Sechs-Tage-Kriegs 1967 eroberte Israel dann auch den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems inklusive der Altstadt und beansprucht seither die ganze Stadt als seine "ewige und unteilbare Hauptstadt". Den Anspruch der Palästinenser auf den Ostteil mit der Altstadt als künftige Hauptstadt eines unabhängigen Palästinenserstaats lehnt Israel ab.
1988 rief die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) einseitig den Staat Palästina aus und erklärte Jerusalem zu seiner Hauptstadt - allerdings ohne damals die Kontrolle über das reklamierte Staatsgebiet zu besitzen. Heute ist der künftige Status Jerusalems eine der zentralen Streitfragen im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.
Welche Bedeutung hat die Religion?
Brennpunkt der religiösen Spannungen in Jerusalem ist der Tempelberg in der Altstadt - er gilt Juden und Muslimen, aber auch Christen als bedeutendes Heiligtum. An der Stelle, an der heute der Felsendom steht, soll Abraham, beziehungsweise Ibrahim - Stammvater der jüdischen, christlichen und muslimischen Religionen - von Gott den Auftrag bekommen haben, seinen Sohn Isaak zu opfern. Dadurch wollte Abraham seine Gottesfurcht beweisen. Gott verhinderte dies der Überlieferung zufolge jedoch in letzter Minute und gab sich mit einem Lammopfer zufrieden.
Nach islamischer Überlieferung ritt der Prophet Mohammed von dieser Stelle aus mit seinem Pferd in den Himmel. Im Jahr 687 (christlicher Zeitrechnung) wurde dort mit dem Bau des Felsendoms begonnen. Daneben befindet sich die Al-Aksa-Moschee. Sie ist nach den heiligen Stätten in Mekka und Medina das drittwichtigste islamische Heiligtum. Der Ort steht offiziell unter muslimischer Verwaltung.
Für Juden ist der Ort das wichtigste Heiligtum, weil dort der jüdische Tempel stand. Der erste Tempel von König Salomon soll im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Babyloniern zerstört worden sein. Der zweite wurde in der Zeit von König Herodes erbaut und von den Römern im Jahr 70 zerstört. Die Überreste der allein stehengebliebenen, westlichen Stützmauer des zweiten Tempels ist die Klagemauer, an der die Juden am Fuß des Tempelbergs beten.
Auch für die Christen sind viele Stätten in der Stadt heilig, vorrangig darunter die Grabeskirche in der Altstadt.
Haben die Israelis immer ganz Jerusalem als ihre Hauptstadt bezeichnet?
1980 verabschiedete das israelische Parlament unter der Regierung von Menachem Begin das sogenannte "Jerusalemgesetz". Es bezeichnet die "vollständige und vereinigte" Stadt als Hauptstadt Israels bezeichnet. Das Gesetz wird allgemein als Annexion Ostjerusalems gewertet. Der UN-Sicherheitsrat erklärte es kurz darauf für "null und nichtig". Die Resolution empfahl allen Staaten, die ihre Botschaft in Jerusalem hatten, diese von dort abzuziehen. Die meisten Botschaften befanden sich allerdings schon damals in Tel Aviv. Heute hat kein Staat eine Botschaft in Jerusalem. Dafür gibt es dort aber mehrere Generalkonsulate und zahlreiche Konsulate.
1979 schlossen Israel und Ägypten ein Friedensabkommen. Vermittelt hatten es die USA. Doch viele Streitpunkte bleiben - auch um Jerusalem.
Seit wann planen die USA die Verlegung der Botschaft?
1995 beschloss der US-Kongress, die Botschaft des Landes von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Dieser Prozess sollte bis 1999 abgeschlossen sein. Allerdings beinhaltete das Gesetz eine Klausel, mit dem das Gesetz für jeweils sechs Monate außer Kraft gesetzt werden konnte. Von dieser Möglichkeit haben seither alle US-Präsidenten Gebrauch gemacht. Auch Trump billigte bereits einmal den Aufschub.
Welche Gründe hat Trump für seinen Schritt?
Schon im Wahlkampf hat Trump einen klaren pro-israelischen Kurs gefahren und sich damit von der vorherigen Obama-Administration abgesetzt, unter der das Verhältnis zur israelischen Regierung immer schlechter geworden war. Mit dieser Strategie zielte Trump auch auf seine Gegenkandidatin Hillary Clinton, die unter Obama vier Jahre lang Außenministerin gewesen war. Trump kann also erklären, er erfülle ein weiteres Wahlkampfversprechen. Zugleich stärkt er die Verbindung zur israelischen Regierung unter Benjamin Netanyahu. Die Motive des US-Präsidenten, der sich wenig um seine internationale Reputation schert, dürften aber vor allem innenpolitischer Natur sein. Der US-Präsident bedient damit auch die Interessen von islamkritischen Wählern.
Was ändert sich durch die Ankündigung?
Die Wirkung von Trumps Entscheidung dürfte zunächst vor allem symbolisch sein. Bis die US-Botschaft umgezogen ist, werden Jahre ins Land gehen. Ob weitere Botschaften folgen werden, ist ungewiss. Die israelische Regierung hat ihren Sitz bereits in Jerusalem, ebenso das Parlament und der Oberste Gerichtshof. Staatsgäste und ausländische Besucher kommen ohnehin regelmäßig nach Jerusalem.
Welche Folgen hat das für die Palästinenser?
Die palästinensische Autonomiebehörde hat immer wieder erklärt, dass eine Anerkennung des vollständigen Jerusalems als israelische Hauptstadt das endgültige Ende des Friedensprozesses bedeuten würde. Dieser liegt allerdings ohnehin seit Jahren faktisch brach. Eine Ankündigung Trumps könnte allerdings massive Straßenproteste und Ausschreitungen in den palästinensischen Gebieten nach sich ziehen. Bereits jetzt sind drei "Tage des Zorns" angekündigt.
Moslems ist Jerusalem ebenso heilig ...
Wie sind die internationalen Reaktionen?
Die Haltung der internationalen Staatengemeinschaft ist eindeutig negativ. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und auch die Bundesregierung haben sich klar gegen eine Verlegung der US-Botschaft ausgesprochen und Trump vor einer solchen Entscheidung gewarnt.
Vor allem die arabischen und islamisch-geprägten Staaten sind empört. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einer "roten Linie der Muslime" und drohte damit, die Beziehungen zu Israel abzubrechen. Die Arabische Liga nannte die Möglichkeit eines solchen Schritts einen Akt "nackter Aggression". Für die USA besonders relevant könnte die Reaktion aus Saudi-Arabien sein. Trump hat zuletzt auffällig die Nähe zu den Saudis gesucht - als Handelspartner, aber auch als Verbündeter gegen den den Iran. Der saudische König Salman warnte aber, die Verlegung würde Muslime in der ganzen Welt provozieren und sie in Wut versetzen.
Was bedeutet die Entwicklung für Reisende?
Angesichts der angekündigten Trump-Rede hat das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für Israel und die Palästinensergebiete aktualisiert - so wie viele andere Länder auch. Ab Mittwoch könne es "zu Demonstrationen in Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen kommen", erklärte das Ministerium am Dienstagabend. "Gewalttätige Auseinandersetzungen" könnten nicht ausgeschlossen werden. Das Auswärtige Amt rief Besucher der betroffenen Gebiete auf, sich über die örtlichen Medien über die aktuelle Lage zu informieren. Für den Gazastreifen gilt weiterhin eine Reisewarnung.
Für sie wird ein neuer Ort gesucht: die US-Botschaft, die noch in Tel Aviv ist.