Corona-Hotspot Ischgl Experten sehen schwere Versäumnisse
Wie konnte sich der Ski-Ort Ischgl im März zu einem Corona-Hotspot in Europa entwickeln? Experten haben das Krisen-Management unter die Lupe genommen. In ihrem Bericht bemängeln sie, dass die Quarantäne überhastet über das Gebiet verhängt wurde.
Sieben Monate nach dem Corona-Ausbruch im Tiroler Ski-Ort Ischgl hat eine Experten-Kommission schwere Fehler im Krisen-Management ausgemacht. So sei der Betrieb der Skibusse und der Seilbahnen einen Tag später als erforderlich eingestellt worden, sagte der Kommissionsvorsitzende Ronald Rohrer in Innsbruck.
Die Verkündung der Quarantäne über das Paznauntal durch Bundeskanzler Sebastian Kurz am 13. März hätte aus Sicht der Experten besser vorbereitet werden müssen. Es habe panikartige Reaktionen bei den vielen ausländischen Gästen gegeben, die in Windeseile versucht hätten, die Region zu verlassen. Es habe an der sofortigen Information an die Touristen gefehlt, dass sie über das Wochenende "gestaffelt und kontrolliert" abreisen sollten. Außerdem habe es keinen Evakuierungsplan gegeben, kritisierte Rohrer.
Lob für Maßnahmen am Anfang
Für einen oft kolportierten Einfluss der Tourismus- und Seilbahnwirtschaft auf die Entscheidungen der Behörden gebe es keine Anhaltspunkte. Als positiv und angemessen wertete die Kommission, die anfängliche Reaktion der Behörden nach Bekanntwerden der ersten Fälle mit Bezug zu Ischgl Anfang März. Ein Barkeeper war positiv auf Corona getestet worden. Da auch Gäste sich infiziert hatten, sperrten die Behörden die Bar am 9. März. Tags darauf verfügten sie das Ende der Ski-Saison. Alle Lokale mussten schließen.
Die Kommission hatte für den Bericht insgesamt 53 Menschen befragt, unter ihnen Betroffene, Vertreter der Seilbahn- und der Tourismuswirtschaft sowie Verantwortliche auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Der 1600-Einwohner-Ort in Tirol gilt nicht zuletzt wegen der dortigen Feiern beim Après-Ski als einer der Hotspots bei der Verbreitung des Coronavirus in Teilen Europas. Auch viele deutsche Gäste steckten sich hier an.
Ermittlungen gegen vier Verdächtige
Bei einem Verbraucherschutzverein, der die Interessen der Geschädigten vertreten will, haben sich inzwischen mehr als 6000 Tirol-Urlauber aus 45 Staaten gemeldet. Tausende Corona-Infektionen in Europa sollen auf Menschen, die in Tirol Urlaub gemacht haben, zurückzuführen sein. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen vier Verdächtige wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten.