Referendum über EU-Reformvertrag Haben die Iren Nein gesagt?
Europa blickt gespannt nach Irland: Haben die Bürger beim Referendum über den EU-Vertrag mit Ja gestimmt, ist eine weitere Hürde bei der Reformierung der Union genommen. Sind die Iren dagegen, steht der EU eine neue Krise ins Haus. Die Auszählung läuft. Das Ergebnis soll am Nachmittag bekannt gegeben werden. Erste Tendenzen deuten auf ein Nein der Iren.
Von Alfred Schmit, SWR, Hörfunkstudio London
Knapp über 40 Prozent Wahlbeteiligung? Möglicherweise. Das ist die Schätzung der Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen RTE. Das ist alles noch inoffiziell, muss die Moderatorin einräumen. Auch die Zeitung "Irish Times" schätzt die Wahlbeteiligung - ebenso inoffiziell - auf 40 Prozent. 40 Prozent wären mehr als bei der Abstimmung über den ersten Vertrag von Nizza. Den haben die Iren per Referendum 2001 erst mal abgelehnt und damit fast die Ost-Erweiterung der EU zunichte gemacht. Erst die vielfach kritisierte Variante Nizza II brachte die Zustimmung Irlands.
Wahlbeteiligung sagt wenig über den Sieger
"Bis jetzt hieß es immer: Je mehr Leute wählen gehen, desto wahrscheinlicher wird ein Ja", sagt David Irven-Parr, politischer Korrespondent bei RTE. Denn bei der Abstimmung über den Vertrag von Nizza blieb die Zahl der Nein-Stimmen beide Male gleich. Doch diesmal könnte es anders sein: Die Nein-Kampagne nämlich hat zuletzt in Umfragen so starke Unterstützung bekommen, dass eine höhere Wahlbeteiligung auch einen höhere Anzahl Nein-Stimmen bedeuten kann. Noch also kann sich kein Lager zum Sieger erklären.
Es könnte sehr knapp werden
Ganz Europa schaut heute auf Irland. Wenn die Auszählung am Vormittag ihren Lauf nimmt, kommen die traditionellen irischen "Tallymen" zum Einsatz. Diese Leute dürfen den Auszählern über die Schulter sehen und inofizielle Schätzungen abgeben. In der Vergangenheit brachte das manchmal schon um die Mittagszeit ein Stimmungsbild, zumal es keine komplizierte Wahl ist. Es gibt ja nur Ja oder Nein. Doch in den Umfragen sah es äußerst knapp aus. So könnte es diesmal bis zum Ergebnis länger dauern.
Vertrauen in die Politiker beschädigt
"Die Stimmung in Irland ist im Moment überhaupt nicht günstig für die führenden Köpfe des Landes", sagt Finton O'Toole von der "Irish Times". Ex-Regierungschef Bertie Ahern musste erst vergangene Woche wegen seiner Finanzaffäre vor einem Untersuchungsausschuss aussagen. Die Leute haben ihn ausgelacht wegen seiner Antworten dort. Das Vertrauen in die Führung des Landes ist erschüttert und von Menschen, denen man nicht vertraut, nimmt man keine Ratschläge an. Alle großen Parteien haben die Wähler um Zustimmung für das Referendum gebeten. Doch es könnte sein, dass sie mit dieser Bitte genau das Gegenteil erreichen.