Proteste im Iran
FAQ

Fragen und Antworten Wer protestiert im Iran - und warum?

Stand: 01.01.2018 17:11 Uhr

Sie sind enttäuscht über ihre wirtschaftliche Lage - ihre Kritik richtet sich aber auch grundsätzlich gegen den herrschenden Klerus: Was ist über die Demonstranten im Iran bekannt? Und inwiefern lassen sich die Proteste mit denen von 2009 vergleichen?

Sind die aktuellen Proteste im Iran mit jenen von 2009 vergleichbar?

2009 richteten sich Demonstrationen vor allem gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Oppositionsführer und ihre Anhänger warfen der Regierung Wahlbetrug vor. Sicherheitskräfte schlugen die Proteste brutal nieder. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben, die Opposition sprach gar von mehr als 80 Toten.

Bei den aktuellen Protesten ist die Lage vielschichtiger. Ursprünglich standen wirtschaftliche Themen im Mittelpunkt. Der Unmut richtete sich gegen die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit, Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln wie Eier und einen Vorschlag der Regierung, die Treibstoffpreise zu erhöhen.

Später kamen politische Themen hinzu, etwa die Kritik am seit 1979 herrschenden Klerus. Einige Demonstranten zeigten sich erzürnt wegen der finanziellen Hilfen für die Palästinenser und die Hisbollah-Miliz im Libanon. Sie fordern von der Regierung, sich stattdessen auf innenpolitische Themen zu konzentrieren. Auch Rücktrittsforderungen an den religiösen und politischen Führer Ayatollah Ali Khamenei wurden laut.

Eine viel größere Rolle als 2009 spielen soziale Netzwerke, über die sich die Aktionen der Demonstranten und nicht verifizierbare Nachrichten rasant verbreiten. Online-Dienste wie Instagram und der Messengerdienst Telegram wurden aktuell gesperrt.

Wer sind die Demonstranten?

Bislang scheint es sich um spontane Proteste ohne klare Anführer zu handeln. Darauf deutet auch die Vielzahl ihrer Forderungen hin. Viele Menschen hatten gehofft, dass sich mit dem Atomdeal und dem einhergehenden Ende der Sanktionen ihre Situation verbessern würde: "Der Atomdeal wird von der breiten iranischen Öffentlichkeit zwar unterstützt - aber es gab die Erwartung, dass sich daraus viel mehr wirtschaftliche Entwicklung ergeben würde", sagt Trita Parsi, Präsident des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rates (NIAC) dem Sender CNN. Die jetzigen Proteste sind also auch Teil dieser Enttäuschung. Der Regierung wird zudem Missmanagement und Korruption vorgeworfen. Die Arbeitslosigkeit lag zuletzt bei 12,4 Prozent, ein Anstieg von 1,4 Punkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 28,8 Prozent.

Wer hat das Sagen im Iran?

Der oberste Führer hat das letzte Wort in allen politischen, juristischen und militärischen Belangen. Seit 1989 bekleidet Ajatollah Ali Chamenei dieses Amt. Ernannt wurde er auf Lebenszeit vom sogenannten Expertenrat aus 86 hochrangigen Klerikern. Der Expertenrat selbst wird vom Volk alle acht Jahre gewählt und überwacht die Arbeit des obersten Führers.

Der ebenfalls vom Volk gewählte Präsident - derzeit amtiert Hassan Rouhani - ist deshalb nur Regierungschef, aber nicht das Staatsoberhaupt. Ihm obliegt es, die vom obersten Führer vorgegebene Politik umzusetzen. Auch das Parlament wird vom Volk gewählt und ist für die Gesetzgebung zuständig. Weit wichtiger ist jedoch der Wächterrat, ein Kontrollgremium aus sechs zivilen Juristen und sechs islamischen Rechtsgelehrten. Der Wächterrat muss jedem Gesetz und jedem Präsidentschaftskandidaten zustimmen.

Wie reagiert die Regierung auf die Proteste?

Die Behörden senden unterschiedliche Signale: Einerseits kündigten sie harte Maßnahmen an. Der Vize-Sicherheitschef der Revolutionären Garden in Teheran, Esmail Kowsari, hatte angekündigt, die Demonstranten würden "die eiserne Faust der Nation" zu spüren bekommen, sollte es zu weiteren Unruhen kommen.

Einen anderen Ton schlug Präsident Rouhani an. "Die Menschen sind absolut frei, ihre Kritik zu äußern und sogar zu protestieren", hob der als moderat geltende Präsident hervor. Aber "Kritik ist etwas anderes als Gewalt und die Zerstörung von öffentlichen Gütern". Später räumte er ein, die iranische Wirtschaft benötige "eine große chirurgische Operation". Im Gegensatz zu 2009 wurden aber bislang weder die Revolutionären Garden noch die Basidsch-Milizen eingesetzt.

Quellen: Reuters, dpa, AFP

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. Januar 2018 um 18:20 Uhr.