Abschuss von Passagierflugzeug Folgenschwerer "Fehler" der Revolutionsgarden
Der Iran räumt einen versehentlichen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine ein, entschuldigt sich und verspricht Aufklärung. Die Empörung ist dennoch groß. Besonders die Ukraine und Kanada stellen klare Forderungen.
Versehentlich will der Iran die ukrainische Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord abgeschossen haben, nachdem er dies zuvor vehement bestritten hatte. Doch trotz erster Erklärung und Entschuldigung fallen die Reaktionen auf das späte Eingeständnis deutlich aus.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau forderte eine umfassende Aufklärung des Flugzeugabschusses sowie die volle Zusammenarbeit der iranischen Behörden. "Dies ist eine nationale Tragödie und alle Kanadier trauern gemeinsam", erklärte er. 57 seiner Landsleute waren bei dem Abschuss der Maschine ums Leben gekommen.
Entschädigung gefordert
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte den Iran auf, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und Entschädigungen zu zahlen. "Der Morgen heute war nicht gut, aber zumindest brachte er die Wahrheit ans Licht", schrieb Selenskyj auf Facebook. Er erwarte ein volles Schuldeingeständnis und eine offizielle Entschuldigung über diplomatische Kanäle. Zudem sollten die Körper der Toten in ihre Heimatländer überstellt werden.
Der ukrainische Präsident betonte, dass er von Teheran eine "volle und offene Untersuchung" erwarte. "Wir hoffen, dass die Ermittlungen ohne vorsätzliche Verzögerungen und Hindernisse fortgesetzt werden", schrieb er. Die Experten aus der Ukraine sollten weiterhin vollen Zugang zu möglichem Beweismaterial erhalten. Selenskyj und der iranische Präsident Hassan Rouhani wollen noch im Laufe des Tages miteinander telefonieren, wie Selenskyjs Büro mitteilte.
Bundesaußenminister Heiko Maas begrüßte, dass der Iran den Abschuss der Passagiermaschine eingeräumt hat. "Es war wichtig, dass der Iran diese Klarheit geschaffen hat", sagt er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Nun sollte Teheran in der weiteren Aufarbeitung dieser schrecklichen Katastrophe die richtigen Konsequenzen ziehen und Vorkehrungen treffen, damit so etwas nicht wieder passieren kann."
Amirali Hadschisadeh gab den Fehler der Revolutionsgarden zu.
Irans Revolutionsgarden übernehmen Verantwortung
Irans Revolutionsgarden übernahmen nach Angaben ihres Luftwaffenchefs Amirali Hadschisadeh die volle Verantwortung für den Flugzeugabschuss. "Ich wünschte, ich könnte sterben und hätte nicht Zeuge eines solchen Unglücks sein müssen", erklärt er in einem Video, das das Staatsfernsehen online verbreitete. Ein Defekt im militärischen Kommunikationssystem habe zu dem fatalen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine geführt.
Hadschisadeh berichtete, am Tag des Unglücks seien alle Streitkräfte wegen der Drohungen der USA, 52 Ziele im Iran anzugreifen, in höchster Alarmbereitschaft gewesen, darunter die Militärbasen in Teheran. Die ukrainische Maschine wurde nach seinen Worten als potenzielle Gefahr eingestuft, man habe sie fälschlicherweise für einen Marschflugkörper im Anflug auf eine strategisch wichtige Militärbasis in Teheran gehalten.
Entscheidung fiel binnen weniger Sekunden
Der zuständige Offizier wollte demnach der Zentrale die Gefahr melden, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben. Der Offizier hatte laut Hadschisade dann nur wenigen Sekunde zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. Als Chef der Abteilung für Luft- und Weltraumabteilung trage er die volle Verantwortung und sei bereit, alle Konsequenzen zu tragen.
Hadschisadeh verteidigte die zivile Luftfahrtbehörde, die tagelang den Abschuss geleugnet hatte. "Sie trifft keine Schuld, weil sie das Ganze aus technischer Sicht gesehen haben und nichts über den Ablauf wussten", sagte der Kommandeur. Die Revolutionsgarden hätten für diesen Tag zwar ein landesweites Verbot ziviler Flüge beantragt, dem sei aber nicht entsprochen worden. Nähere Angaben dazu machte Hadschisadeh nicht.
Das iranische Militär hatte zuvor in einer Presseerklärung im Staatsfernsehen eingeräumt, das ukrainische Passagierflugzeug mit 176 Menschen an Bord versehentlich abgeschossen zu haben. Die Maschine sei für ein "feindliches Flugzeug" gehalten worden. Es handele sich um "menschliches Versagen". Das Militär entschuldigte sich in der Stellungnahme für das Unglück und kündigte eine Verbesserung seiner Systeme an, um solche "Fehler" in Zukunft zu verhindern. Die Verantwortlich würden innerhalb des Militärs zur Rechenschaft gezogen.
Khamenei drückte den Familien der Opfer sein "tiefes Beileid" aus.
Präsident Hassan Rouhani schrieb auf Twitter, der Iran bedauere den "katastrophalen Fehler" zutiefst. Er sprach den Hinterbliebenen der Insassen sein Beileid aus. Das geistliche Oberhaupt des Irans drückte den Familien der Opfer sein "tiefes Beileid" aus. Zugleich wies Ajatollah Ali Khamenei Ermittlungen an, "um mögliche Fehler und Schuld bei diesem schrecklichen Ereignis" zu klären. Außenminister Mohammed Dschawad Zarif gab den USA eine Mitschuld: Der Abschuss sei Folge eines "menschlichen Fehlers in Krisenzeiten, verursacht durch die US-Abenteuerpolitik", erklärte er.
Die Boeing 737 der ukrainischen Fluggesellschaft UIA war am Mittwochmorgen in der Nähe von Teheran abgestürzt, alle Insassen wurden getötet. Kurz vor dem Absturz der Maschine hatte der Iran mehrere Raketenangriffe auf zwei von den US-Streitkräften genutzte Militärstützpunkte im Irak geflogen.
Beweise zu offensichtlich?
Trotz vermehrter Mutmaßungen - unter anderem westlicher Regierungschefs - in den vergangenen Tagen, dass das Flugzeug versehentlich von einer iranischen Rakete getroffen worden sein könnte, hatte Teheran dies zunächst kategorisch dementiert. Laut ARD-Korrespondent Thomas Bormann waren die Beweise aber wohl zu offensichtlich, als dass der Iran bei seiner Version von einem technischem Defekt hätte bleiben können. Auf Fotos von Wrackteilen waren Spuren von Einschusslöchern zu erkennen. Und einige Experten hatten sofort vermutet: Das sieht aus, als sei das Flugzeug von einer Luftabwehrrakete getroffen worden.
Gestern hatten sich bereits mehrere EU-Staaten, sowie die USA und Kanada davon überzeugt gezeigt, dass es sich um einen wohl versehentlichen Abschuss durch den Iran handeln müsse.