Welthungerhilfe-Mitarbeiterin vor Ort "Alles ist zusammengebrochen"
Die Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen versuchen, ihre Arbeit zu koordinieren, um den Menschen in Haiti helfen zu können. Doch die ganze Infrastruktur ist zerstört: Telefone funktionieren nicht, Treibstoff fehlt. Regina Tauschek von der Welthungerhilfe berichtet im Interview mit tagesschau.de über chaotische Zustände in der Hauptstadt Port-au-Prince.
tagesschau.de: Wie geht es Ihnen und den Menschen um Sie herum?
Regina Tauschek: Meine Wohnung wurde komplett zerstört, ich habe keine Kleidung und erst einmal kein Geld mehr. Ich trage seit drei Tagen dasselbe. Aber vor allem geht es natürlich den Menschen schlecht, die ihre Angehörigen und ihre Häuser verloren haben. Es ist entsetzlich.
tagesschau.de: Können Sie uns die Situation in Port-au-Prince beschreiben?
Tauschek: Die Menschen leben auf den Straßen, viele haben seit Tagen nichts gegessen. Den Menschen hier fehlt einfach alles: Nahrungsmittel, Wasser, Treibstoff.
tagesschau.de: Wie sieht die medizinische Versorgung aus?
Tauschek: Die medizinische Versorgung ist sehr schlecht. Viele Spitäler sind eingestürzt. Viele sind vom Einsturz bedroht und mussten evakuiert werden. Die Patienten werden zum Teil in den Innenhöfen versorgt. Die Ärzte sind im Dauereinsatz. Und natürlich können längst nicht alle Patienten aufgenommen und versorgt werden.
tagesschau.de: Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Tauschek: Wir sind jetzt dabei, uns zu strukturieren, um dann Hilfe leisten zu können. Das ist eine große Herausforderung. Wir müssen erst einmal Nahrung, Wasser und Treibstoff besorgen, auch Geld. Denn hier ist einfach alles zusammengebrochen, auch die Banken. Es geht jetzt darum, eine Basisinfrastruktur aufzubauen beziehungsweise am Laufen zu halten.
Wir warten auf unser Nothilfeteam. Das soll stündlich aus der Dominikanischen Republik hier eintreffen. Bisher wissen wir aber nicht, ob sie eine Landegenehmigung bekommen. Die Welthungerhilfe hat 100.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung gestellt. Jetzt geht es darum, die effizient einzusetzen.
tagesschau.de: Was sind die größten Probleme der Hilfsorganisationen?
Tauschek: Es gab zwar ein Nottreffen, aber es ist insgesamt extrem schwierig, sich zu koordinieren. Die Telefone funktionieren schlecht. Wir erreichen uns untereinander nur sehr schwer. Wenn Leitungen funktionieren, dann sind sie überlastet. Viele Kollegen wissen deshalb nicht einmal, ob ihre Angehörigen noch leben. Wir haben versucht, Informationen durch Herumfahren zu bekommen. Aber auch das ist mühselig, die Wege sind blockiert, überall Menschen auf den Straßen. Ich hoffe sehr, dass bald Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter strukturiert verteilt werden können.
tagesschau.de: Was ist im Moment Ihre größte Sorge?
Tauschek: Ich hoffe, dass es nicht anfängt zu regnen. Hier leben Hunderttausende auf den Straßen, die hätten ja überhaupt keinen Schutz.
Das Interview führte Oda Lambrecht für tagesschau.de.