Iskander-Rakete bei einer Übung im Jahr 2017 in St. Petersburg.

Nach Ausstieg der USA INF-Vertrag mit Russland endet offiziell

Stand: 02.08.2019 09:31 Uhr

Mit dem Rückzug der USA endet heute offiziell der INF-Vertrag mit Russland über nukleare Abrüstung im Mittelstreckenbereich. NATO und Europa sind besorgt. Außenminister Maas warnte vor einer neuen Aufrüstungsspirale.

Mit dem INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen erlischt an diesem Freitag einer der wichtigsten Abrüstungsverträge zwischen den USA und Russland. Damit können die beiden Länder wieder ohne Beschränkungen solche Waffen bauen - deswegen wird ein neuer atomarer Rüstungswettlauf befürchtet.

UN-Generalsekretär António Guterres sagte, dass die Welt mit dem Auslaufen des Abkommens einen "unschätzbaren" Mechanismus zur Verhinderung eines Atomkriegs verliere. Bundesaußenminister Heiko Maas warnte ebenfalls vor einem Wettrüsten: "Auch heute muss es uns wieder gelingen, Regeln zur Abrüstung und Rüstungskontrolle zu vereinbaren", sagte der SPD-Politiker einer Mitteilung zufolge. "Die Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, sind durch das Ende des Vertrags größer geworden." Sie beschränkten sich nicht mehr nur auf Europa.

Der Vertrag, den US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow 1987 unterzeichneten, erlischt heute. Er verbietet landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern.

INF-Vertrag als Sicherheitsgarantie

Die USA hatten den Vertrag Anfang Februar zuerst gekündigt, kurz darauf dann Russland. Washington wirft Moskau vor, mit seinem neuen russischen Mittelstreckensystem 9M729 - von der NATO SSC-8 genannt - gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Russland bestreitet das und beteuert, die Reichweite des Raketensystems liege unter 500 Kilometern.

Besonders für europäische Länder war der INF-Vertrag eine wichtige Sicherheitsgarantie. Nun haben viele Politiker die Sorge, dass es zu einem neuen Rüstungswettlauf zwischen den USA und Russland kommt.

"Wir bedauern, dass Russland nicht das Nötige getan hat, um den INF-Vertrag zu retten", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. Berlin rufe nun Moskau und Washington "umso mehr auf", den New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen zu retten. Dieser läuft 2021 aus.

"Düsterer Tag"

Überdies mahnte Maas: "Auch Atommächte wie China müssen sich ihrer Verantwortung in der Rüstungskontrolle stellen, sie haben mehr Gewicht in der Welt als zu Zeiten des Kalten Kriegs."

Die Union im Bundestag sprach von einem "düsteren Tag". CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte mit Blick auf die Vorwürfe gegen Moskau: "Die NATO wird auf den Vertragsbruch Russlands wie angekündigt eine geschlossene, aber abgewogene Antwort geben." Deutschland habe kein Interesse an einem neuen Rüstungswettlauf in Europa. "Aber wir müssen auf die neuen Bedrohungen von Seiten Russlands angemessen reagieren."

Die Grünen riefen die Bundesregierung auf, eine Initiative für eine Denuklearisierung Europas zu ergreifen.

Russland schlägt erneut Moratorium vor

Kurz vor Ablauf des Vertrags schlug Moskau Washington und der NATO erneut ein Moratorium auf die Stationierung von Raketensystemen mittlerer und kürzerer Reichweite in Europa vor. In einem Interview der Agentur Tass betonte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow zugleich, dass sich Moskau ihn der Diskussion nicht einschüchtern lassen wolle. "Druck, Pressing und Gewalt - das ist nicht die Sprache, mit der wir mit uns reden lassen, wer auch immer das sein mag."

Rjabkow verwies darauf, dass sich Russland ein einseitiges Moratorium auferlegt habe, solche Raketen vorerst nicht zu stationieren. Allerdings seien weder die USA noch die NATO bisher auf den Vorschlag eines Moratoriums eingegangen.

Der Diplomat richtete eine scharfe Warnung an die Adresse der NATO. Moskau schenke den Beteuerungen der NATO, dass es innerhalb des Bündnisses keine Pläne zur Stationierung nuklear bestückter Raketen in Europa gebe, keinen Glauben. "Entsprechende Beteuerungen im Allgemeinen kann man sicherlich nicht glauben", wurde Rjabkow zitiert. "Das Bündnis hat wiederholt seine früheren Versprechungen gebrochen, seine Pläne und Absichten geändert."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 02. August 2019 um 02:02 und 04:57 Uhr.