Reportage

Reportage aus dem italienischen Trapani Besuch in einem "Hotspot"

Stand: 30.06.2018 07:07 Uhr

Die Einrichtung von sogenannten Hotspots soll wesentlich dazu beitragen, die Flüchtlingskrise in Europa zu bewältigen. In Italien sind bereits drei von ihnen eröffnet. Ihre Funktion ist aber umstritten: Für Hilfsorganisationen sind sie rechtsfreie Räume.

Von Von Tilmann Kleinjung, ARD-Studio Rom

Hohe Mauern, massive Stahltore - von außen wirkt der "Hotspot" von Trapani wie ein Hochsicherheitsgefängnis. "Der Eindruck täuscht", sagt der Leiter der Einrichtung, Francesco Palermo-Patera: Mauern und Sicherheitsstandards seien deshalb so hoch, weil in dem Gebäude am Stadtrand von Trapani früher einmal ein Abschiebegefängnis untergebracht war.

Auch heute versuchen Polizei und Militär zu verhindern, dass Flüchtlinge einfach so gehen. Denn Hauptzweck eines "Hotspots" ist die erkennungsdienstliche Behandlung. Die meisten Boatpeople kommen ohne gültige Papiere. Der Direktor präsentiert einen Scanner für Fingerabdrücke, bald soll es davon noch mehr geben. Keiner soll sich der Registrierung entziehen - so wie bis vor kurzem, als Flüchtlinge in die Aufnahmezentren durch die eine Tür hinein und durch die andere Tür wieder hinausgingen, ohne auch nur einen Fingerabdruck zu hinterlassen.

"Wenn sie nicht wollen, versuchen wir sie zu überzeugen", sagt Palermo-Patera. "Deshalb gibt es hier auch Mitarbeiter der EU-Asyl-Agentur und des UNHCR, die sagen, dass sie sich registrieren lassen - in ihrem Interesse."

Hotspots
Die EU konzipierte sogenannte Hotspots, um Neuankömmlinge in Italien und Griechenland zu registrieren. Dort sollen Wirtschaftsmigranten von Flüchtlingen getrennt, aber beispielsweise auch Terroristen, herausgefiltert werden. Von hier aus sollen auch nicht schutzberechtigte Menschen zurück in ihre Heimatländer gebracht werden.
Die Zentren sollten eigentlich schon 2015 eröffnet werden, das wurde aber mehrmals verschoben. Die EU-Kommission begründet dies mit Mängeln bei Infrastruktur, Personal und Koordinierung.

Verteilung der Flüchtlinge beginnt - langsam

Von 2305 Menschen, die in den vergangenen zwei Monaten den "Hotspot" durchlaufen haben, wurden alle identifiziert. Und auch die zweite Vorgabe der EU scheint in Trapani zu funktionieren: die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU Mitgliedsstaaten. Leopoldo Falco, der Präfekt von Trapani, bestätigt der ARD, dass von Trapani aus bereits Asylbewerber in andere EU Staaten verlegt wurden, allerdings nur solche - die gute Chancen haben, auch anerkannt zu werden: "Vor allem Eritreer. Da funktioniert das so, dass sie nach ihrer Ankunft registriert werden und von Sammelstellen aus per Quote in Europa verteilt werden."

Doch die Eritreer stellen nur noch eine verschwindende Minderheit unter den Menschen, die die Fluchtroute von Libyen über das Mittelmeer wählen. Die meisten kommen aus Ländern wie Gambia, Mali oder wie "Tom" (Name geändert) aus Nigeria: "Ich hoffe, ich komme in ein anderes Land: Deutschland oder Polen. Das wäre o.k., solange mein Leben sicher ist."

Werden Flüchtlinge am Asylantrag gehindert?

Wenn er den "Hotspot" verlässt, will "Tom" Asyl beantragen - wenn man ihn denn lässt. Hilfsorganisationen berichten, dass Flüchtlinge in den "Hotspots" nicht ausreichend über ihre Rechte aufgeklärt werden und oft gar keine Möglichkeit erhalten, Asyl zu beantragen.

"Das sind geschlossene Einrichtungen der Polizei, in denen eine sehr oberflächliche Auswahl zwischen Wirtschaftsmigranten und Schutzbedürftigen getroffen wird", sagt Santina Lombardo von der sizilianischen Flüchtlingshilfe "Girasole". "Man weiß nicht von wem und mit welchen Garantien. Das sind sehr fragwürdige Orte."

Eine Menschenrechtsorganisation berichtet von einem Fall, in dem eine Gruppe von Nigerianern direkt aus einem italienischen "Hotspot" in ein Abschiebegefängnis überführt wurde. Der Präfekt von Trapani schließt eine solche Vorgehensweise für seinen "Hotspot" aus: "Das stimmt nicht, es gibt keine Vorgabe auszuweisen. Praktisch alle stellen einen Asylantrag und warten in den verschiedenen Aufnahmezentren, dass die Kommissionen ihr Gesuch prüft."

CSU-Politikerin forderte härteres Vorgehen

Der bayerischen Europaministerin Beate Merk ist das wiederum zu lax. "Wir sind uns mit den Italienern nicht einig, was ein 'Hotspot' leisten muss", sagt die CSU-Politikerin bei ihrem Besuch in Trapani. "Wir in Bayern sind der Meinung, ein 'Hotspot' muss registrieren, er muss klar machen, wer im Land bleiben darf, wer in Europa verteilt werden kann. Und er muss auch Sorge tragen, dass die, die nicht bleiben können, zurückgeführt werden."

Wer keinen Asylantrag stellt oder aus Nordafrika kommt, erhält bislang von der italienischen Polizei die Aufforderung, Italien innerhalb von sieben Tagen zu verlassen. In der Regel wird das als Aufforderung verstanden, unterzutauchen und das Land Richtung Norden zu verlassen.

Tilmann Kleinjung, T. Kleinjung, ARD Rom, 06.03.2016 17:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 07. März 2016 um 05:37 Uhr im Deutschlandradio Kultur.