Hongkong Was hinter den Protesten steckt
Seit Juni 2019 protestieren Tausende Menschen in Hongkong. Was war der Auslöser und welche Ziele verfolgen die Demonstranten? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wogegen protestieren die Demonstranten in Hongkong?
Auslöser der Proteste war eine umstrittene Gesetzesvorlage, die Auslieferungen an das chinesische Festland ermöglicht hätte. Dort kontrolliert die kommunistische Partei die Gerichte. Die Entscheidung über das Gesetz wurde bereits Anfang Juli ausgesetzt und im September komplett zurückgezogen.
Trotzdem entwickelte sich der Protest in den Wochen danach zu einer breiten Bewegung für Demokratie in Hongkong. Die Demokratiebewegung konnte mit ihrem Sieg bei den Bezirkswahlen im November ihre Legitimität untermauern.
Zu der Wut und Besorgnis über das geplante Gesetz kommt die über Jahre gewachsene Unzufriedenheit über steigende Lebenshaltungskosten und Ungleichheit in einer der teuersten und bevölkerungsreichsten Städte der Welt.
Angeheizt wurde die Protestbewegung immer wieder durch die aggressive Taktik der Polizei gegen Demonstranten. Andererseits griffen die Sicherheitskräfte nicht ein, als am 21. Juli ein Schlägertrupp - weiß gekleidete vermummte Männer - gezielt Regierungsgegner, aber auch Pendler mit Stöcken an einem Nahverkehrsbahnhof angriff.
Warum waren die Leute so wütend über das Auslieferungsgesetz?
Die Vereinbarung, mit der die ehemalige britische Kolonie 1997 wieder unter chinesische Kontrolle gebracht wurde, sieht vor, dass die halbautonome Region Hongkong durch eine unabhängige Justiz, eine freie Presse und eine offene Marktwirtschaft ein "hohes Maß an Autonomie" für 50 Jahre ab Vertragsunterzeichnung erhalten bleiben.
Das vereinbarte Prinzip lautet "ein Land, zwei Systeme". Das Auslieferungsgesetz wurde als ein Versuch gesehen, dies zu untergraben. Die Befürchtung war, dass Peking dadurch die Möglichkeit gegeben werde, Aktivisten für mehr Demokratie unter dem Justizsystem des Festlandes vor Gericht zu stellen. Es stand symbolisch für den zunehmenden Einfluss Pekings.
Welche Ziele verfolgen die Demonstranten?
Die Demonstranten fordern freie Wahlen für das Amt des Hongkonger Regierungschefs und das Parlament - ohne Vorgaben der Führung in Peking. Kritik gibt es vor allem daran, dass die Spitze der Stadtegierung von einem Komitee gewählt wird, deren Mitglieder eine Pro-Peking-Einstellung haben.
Die Demonstranten haben angekündigt, ihre Bewegung so lange fortzusetzen, bis ihre Kernforderungen erfüllt sind. Dazu gehören konkret der Rücktritt der Regierungschefin Carrie Lam, eine unabhängige Untersuchung der Polizei-Taktik, eine Amnestie für die Verhafteten und eine dauerhafte Rücknahme des Auslieferungsgesetzes.
Wie haben die Hongkonger und chinesischen Regierungsinstitutionen bisher reagiert?
Die Hongkonger Regierungschefin Lam hat zwar auf Druck der Öffentlichkeit bereits im Juli die Aussetzung des Auslieferungsgesetzes angeordnet, aber keine konkreten Zugeständnisse an die Demokratiebewegung gemacht. Lam äußerte sich zudem nicht dazu, ob das Gesetz endgültig vom Tisch ist. Lam verteidigte bislang das Vorgehen der Polizei, die wiederholt Tränengas und Gummigeschosse abfeuerte.
Ihre Niederlage bei den Bezirkswahlen im November gestand die Hongkonger Regierung zwar ein, zog aber keine Konsequenzen daraus.
Die chinesische Regierung verurteilte die Proteste bisher scharf, hat es jedoch - zumindest öffentlich - der halbautonomen Regierung Hongkongs überlassen, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Zudem beschuldigte Peking das Ausland, die Unruhen zu verschärfen.