US-Abzug aus Syrien Die Folgen für die Kriegsparteien
Rebellen, Kurden, Türken, IS, Assads Armee und viele andere Gruppen: In Syrien kämpfen viele Fraktionen mit- und gegeneinander. Wer könnte vom US-Abzug profitieren, wer verliert dadurch? Ein Überblick.
US-Präsident Donald Trump hat seine Verbündeten mit der Ankündigung überrascht, sämtliche Truppen aus Syrien abzuziehen. Er begründete den sofortigen Abzug aller 2000 Soldaten damit, dass sie ihre Mission mit dem Sieg über die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) erfüllt hätten.
Die Entscheidung wird das Kräfteverhältnis in dem Konflikt jedoch entscheidend verändern und dürfte viele Gegner der USA stärken.
Kurden
Größte Verlierer des Rückzugs werden die syrischen Kurden sein, die massiv von der US-Militärhilfe profitierten. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) waren bisher als Teil der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) die Speerspitze im Kampf gegen den IS und wurden deshalb von den US-Streitkräften mit Luftangriffen und großen Mengen moderner Waffen unterstützt. Diese Unterstützung erlaubte der Kurdenmiliz in den vergangenen zwei Jahren, die IS-Miliz aus weiten Gebieten im Norden und Osten Syriens zu vertreiben.
Heute kontrolliert sie rund ein Drittel des syrischen Territoriums, darunter auch mehrheitlich arabische Städte außerhalb des kurdischen Siedlungsgebiets wie Rakka, Manbidsch und Teile von Deir Essor. Ob sie diese Städte ohne US-Hilfe halten kann oder will, ist fraglich. Die Kurden kontrollieren momentan die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.
Die Türkei kontrolliert Gebiete in Nordsyrien.
Türkei
Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben.
Der Regierung in Ankara stört sich schon immer an der US-Unterstützung für die YPG. Sie betrachtet deren Präsenz an ihrer Südgrenze als Bedrohung, weil sie eng mit der PKK verbunden ist, die seit 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakampf führt. Erst vergangene Woche kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine neue Offensive in Nordsyrien an. Da dort auch US-Soldaten stationiert sind, drohte eine direkte Konfrontation der NATO-Partner.
Nach einem US-Abzug hätte die Türkei freie Hand. Als weiteres Zeichen des Entgegenkommens wurde gewertet, dass die US-Regierung jüngst den Verkauf von Patriot-Raketen an die Türkei genehmigt hat.
"Islamischer Staat"
Vergangene Woche gelang es SDF-Einheiten mit US-Unterstützung nach monatelangen verlustreichen Gefechten, die ostsyrische IS-Bastion Hajin einzunehmen. Vom einstigen "Kalifat" der Dschihadisten bleiben damit nur noch zwei Dörfer im Euphrat-Tal nahe der irakischen Grenze und einige Gebiete in der Badidscha-Wüste. Allerdings werden noch Tausende Kämpfer in der Region vermutet, darunter viele Ausländer.
Ein Angriff der Türkei auf die YPG in Nordsyrien würde diese zwingen, ihre Truppen vom Kampf gegen die Dschihadisten abzuziehen. Der IS könnte also wieder erstarken und damit eine neue US-Intervention nötig machen.
Assad
Neben der IS-Miliz dürften auch der syrische Machthaber Bashar al-Assad und seine Verbündeten Iran und Russland von dem US-Abzug profitieren. Assad wird es leichter fallen, die kurdischen Gebiete mit Gewalt oder über Verhandlungen wieder unter seine Kontrolle zu bringen.
Assads Anhänger kontrollieren momentan fast den gesamten westlichen Teil des Landes. Sie beherrschen damit den größten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen. Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.