Taliban auf dem Vormarsch Der ewige Kampf um Helmand
Die Taliban sind in der afghanischen Provinz Helmand weiter auf dem Vormarsch. Spezialkräfte aus Großbritannien und den USA kommen den örtlichen Truppen zur Hilfe - doch sie werden die eigentliche Probleme kaum lösen können.
Im größten Camp der afghanischen Armee in der Nähe der Provinzhauptstadt Lashkar Gah ist internationale Verstärkung eingetroffen: dutzende Spezialkräfte aus den USA und Großbritannien, um die afghanischen Soldaten zu unterstützen. Vor allem als Berater und Trainer, aber wenn es noch ernster wird, kann wohl auch eine kämpfende Rolle nicht ausgeschlossen werden, wie zuletzt in Kundus.
Ein älterer Dorfbewohner aus der Nähe von der Lashkar Gah berichtet aus seinem Alltag: "Ich arbeite hier auf dem Dach meines Hauses, aber ich habe Angst, von Kugeln getroffen zu werden. Die Mauern meines Hauses sind schon oft von Kugeln getroffen worden. Ich habe Angst, dass sie wieder angreifen."
Distrikt Sangin hart umkämpft
Besonders ernst ist die Lage im Distrikt Sangin rund 90 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt. Verschanzte afghanische Sicherheitskräfte sind vom Nachschub abgeschnitten. Sangin war auch in den vergangenen Jahren immer wieder schwer umkämpft - auch schon zu Zeiten, als dort noch viele internationale Soldaten mit einem Kampfauftrag stationiert waren.
So wie die Bundeswehr jahrelang für die Provinz Kundus im Norden verantwortlich war, waren die Briten für Helmand im Süden verantwortlich. In den vergangenen Jahren sind an keinem anderen afghanischen Ort mehr britische Soldaten gefallen als in Sangin - mehr als 100.
War der britische Einsatz umsonst?
Ihr ehemaliger Kommandeur Richard Kemp wehrt sich im BBC-Interview gegen den Vorwurf, dass seine Soldaten umsonst gefallen seien "Ich weise das zurück. Sie haben erreicht, was sie erreichen sollten. Sie haben verhindert, dass Afghanistan wieder eine Basis für globalen Terrorismus wird, die Anschläge wie den vom 11. September möglich macht." Aber danach brauche es dann auch den politischen Willen, um die Entwicklung weiterzutragen und um sicherzustellen, dass ihre Opfer nicht umsonst gewesen seien.
Weite Teile der Provinz Helmand sind nicht unter der Kontrolle der Regierung in Kabul. Würde die Provinz offiziell fallen, wäre das ein unerträglicher Schlag ins Gesicht. Für die zerstrittene afghanische Regierung, und für den militärischen und politischen Einsatz des Westens in den vergangenen 14 Jahren.
Clans beherrschen den Süden des Landes
Helmand bildet gemeinsam mit der Nachbarprovinz Kandahar das Kernland der Taliban. Hier regieren im Wesentlichen Stämme und Familienclans - mit einem konservativen, sehr religiös beeinflussten Weltbild, das dem der Taliban ähnlich ist. Weder die internationale Gemeinschaft und ihre Soldaten noch die Zentralregierung in Kabul haben es geschafft, die Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen.
Es gibt nicht wenige Menschen in Helmand, die offene Sympathien für die Taliban hegen - weil sie die Regierung als abwesend oder als korrupt und ungerecht erleben oder weil sie schlichtweg Angst haben und den Stärkeren unterstützen. Solange die Menschen der eigenen Regierung nicht ausreichend vertrauen, werden die Taliban das Vakuum füllen.
Weltmarktführer beim Rohopium
Für die Taliban ist Helmand auch wirtschaftlich wichtig: Helmand, vor allem das Sangin-Tal, ist ein riesiges Anbaugebiet für Schlafmohn. Der Großteil des Heroins, das auf der Welt konsumiert wird, stammt aus dem Rohopium des Schlafmohns, der in Helmand angebaut wird. Der Drogenschmuggel finanziert den Kauf von Waffen und die Planung und Ausführung von Anschlägen.