Handelsstreit mit den USA Juncker auf "Mission Impossible"?
Kann ein ausgewachsener Handelskrieg zwischen Europa und Amerika noch abgewendet werden? Heute könnte sich die Frage entscheiden: Bei einem Besuch von EU-Komissionspräsident Juncker im Weißen Haus.
Martin Selmayr, Jean-Claude Junckers engster Vertrauter und seit kurzem ranghöchster Beamter in der Kommission, stapelte vor Beginn der USA-Reise besonders tief. Nach seinen Worten rechnet man auf EU-Seite nicht damit, dass die Begegnung mit Präsident Donald Trump im seit Wochen schwelenden Handelsstreit die Wende bringt.
Und auch Junckers Chefsprecher Margaritis Schinas dämpfte im Vorfeld die Erwartungen: Der Termin in Washington sei lediglich eine Gelegenheit, Spannungen in Handelsfragen zu "entdramatisieren": Es gehe nicht ums Verhandeln, sondern um einen "offenen, konstruktiven Dialog" mit den amerikanischen Partnern.
Weiter ins Detail gehen, gar über Strategien oder Erfolgschancen spekulieren, will man in Brüssel bewusst nicht. Dazu sind die jüngsten Erfahrungen mit dem ebenso aufbrausenden wie sprunghaften Herrn im Weißen Haus zu unerfreulich. Auch gehen die Positionen wichtiger Mitgliedsstaaten, speziell Deutschlands und Frankreichs, über die richtige Mischung aus Härte und Entgegenkommen auseinander.
"Wir wollen diese Zölle nicht, wir glauben, dass wir uns gegenseitig schaden. Nicht nur, dass uns geschadet wird", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Angebot aus Brüssel?
Der heiklen Frage, ob Kommissionschef Juncker und Handelskommissarin Malmström ein konkretes Angebot für Donald Trump im Gepäck haben, weicht der EU-Sprecher konsequent aus. Es gebe "als solches keine Offerten". Das Ganze sei nur ein Treffen, ein Gespräch. Juncker fühle sich aber "sehr gut vorbereitet", die "europäischen Argumente" vorzutragen, so Schinas.
Diese Argumente freilich sind längst bekannt und haben den US-Präsidenten bis jetzt nicht umzustimmen vermocht. Beim geplatzten G7-Gipfel in Kanada, Anfang Juni, hatte sich Trump jedenfalls strikt geweigert, die kurz zuvor in Kraft getretenen Sonderzölle auf Stahl und Aluminium zurückzunehmen. Stattdessen droht er sogar mit weiteren "enormen Vergeltungsmaßnahmen". Einschließlich seiner größten "Keule" - den vor allem von der Bundesregierung so gefürchteten Importzöllen auf Autos.
Leicht wird es nicht für Juncker
Trumps wiederholt bekundeter Groll über die Europäische Union und seinen Lieblingsrivalen Deutschland scheint angesichts der inzwischen verhängten EU-Zölle für US-Produkte sowie der vergangene Woche ausgesprochenen Milliardenstrafe gegen den Internet-Riesen Google eher noch gewachsen. So scheute sich der Präsident nicht, die EU in einem landesweit ausgestrahlten Fernsehinterview als "Feind" zu bezeichnen - im selben Atemzug mit Russland oder China.
Dass Trump den erneuten Affront gegen die engsten Verbündeten anschließend abzuschwächen versuchte, ändert nichts daran, dass sich Juncker und seine rund zwölfköpfige Delegation wohl auf eine knallharte Pokerrunde einstellen müssen.
Zwar signalisierten die für Finanzen und Handel zuständigen US-Minister Mnuchin und Ross zwischenzeitlich Kompromissbereitschaft. Angeblich wollen sie mit den EU-Vertretern über einen weitgehenden Abbau von Handelsschranken und Subventionen im transatlantischen Warenverkehr reden. Womöglich sogar über eine abgespeckte Neuauflage des auf Eis liegenden Freihandelsabkommens TTIP. Doch ihr Chef hat sich offenbar festgelegt.
Europa braucht eine klare Strategie
Das sieht auch Reinhard Bütikofer so. Der Vorsitzende der europäischen Grünen und intime USA-Kenner zieht aus gut anderthalb Jahren Trump folgende Lektion: "Wenn er einen Diktator liebt, dann herzt er ihn. Und wenn einen Partner vor's Knie treten will, dann macht er das auch."
Verloren gibt Bütikofer die europäische Sache trotzdem noch nicht. Den EU-Spitzen rät der Grüne im Umgang mit Trump zu Selbstbewusstsein und Geschlossenheit. Die Trumpsche Dealmaker-Methode des maximalen Drucks müsse die Union mit intelligenten, vor allem aber klaren Botschaften kontern. Wenn beide Seiten im Gespräch blieben, wäre dies schon ein Erfolg.
Kommissionschef Juncker, fast vier Jahrzehnte länger in der Politik als Trump, scheint genau diese Linie zu verfolgen. Er hat sich im Vorfeld eng mit Kanzlerin Merkel und den übrigen europäischen Regierungschefs abgestimmt. Um unnötige Provokationen zu vermeiden, hat sich der Luxemburger für die Dauer seines Besuchs ein Twitter-Verbot auferlegt. Ausführlich äußern will er sich erst nach seinem Treffen mit Trump, in einer Rede vor einer bekannten Washingtoner Denkfabrik.
Eines aber macht Juncker schon vorher deutlich: Auch die EU hat für den Fall der Fälle weitere schmerzhafte Gegenmaßnahmen vorbereitet. Herumschubsen lassen werde man sich nicht. "Man denkt, man kann die Europäer klein reden und klein machen. Das wird nicht passieren."