Ehefrau von inhaftiertem Sacharow-Preisträger Badawi "Ich habe immer Hoffnung"
Für seinen Kampf für die Meinungsfreiheit ist der inhaftierte saudi-arabische Blogger Raif Badawi mit dem Sacharow-Preis geehrt worden. Seine Frau Ensaf Haidar erzählt im Gespräch mit ARD-Korrespondent Christian Feld, wie es ihrem Mann in der Haft geht und was ihm die Auszeichnung bedeutet.
tagesschau.de: Was wissen Sie aktuell darüber, wie es ihrem Mann geht?
Ensaf Haidar: Den letzten Kontakt, den ich mit Raif hatte, war letzte Woche am Montag, glaube ich. Am folgenden Dienstag hat Raif erklärt, dass er in den Hungerstreik gehen würde. Am Donnerstag wurde er in ein neues Gefängnis verlegt. In diesem Gefängnis gibt es in der Regel nur Häftlinge, die in letzter Instanz verurteilt wurden, bei denen also die Fälle abgeschlossen sind.
Seitdem habe ich nicht mehr mit Raif gesprochen, ich hoffe, dass sich seine Gesundheit verbessert hat, weil seine Gesundheit in einem sehr schlechten Zustand und seine Stimmung auf dem Tiefpunkt gewesen ist.
"Sehr kurze Telefongespräche - nie länger als zehn Minuten"
tagesschau.de: Wie können Sie überhaupt mit ihm kommunizieren?
Haidar: Es ist Raif, der mich anruft. Er telefoniert auf legale Art und Weise vom Gefängnis aus. Er ruft mich ungefähr ein- bis zweimal pro Woche an. Das sind sehr kurze Telefongespräche, die niemals länger als 10 Minuten dauern.
tagesschau.de: Wenn Sie telefonieren, welchen Eindruck macht er da auf Sie?
Haidar: Das ist sehr schwierig. Raif ist nicht die Art von Mensch, der viel über seine Situation im Gefängnis spricht. Er würde nicht zugeben, dass seine Gemütslage auf dem Tiefpunkt ist. Aber ich spüre das an der Art und Weise, wie er spricht. Ich höre an seiner Stimme, dass er sehr müde ist, dass seine Stimmung schlecht ist.
Das ist ganz normal, weil er auch von seinen Kindern seit vier Jahren getrennt ist. Er hat eine sehr schwere Strafe bekommen, er ist das Opfer von 50 Peitschenschlägen, die in der Öffentlichkeit ausgeführt wurden. Darüber hinaus gibt es diese Unsicherheit über seinen Fall. Alles geschieht im Geheimen.
"Er hatte gehofft, den Preis selbst entgegenzunehmen"
tagesschau.de: Als Sie erfahren haben, dass er den Sacharow-Preis bekommt - wie war seine Reaktion?
Haidar: Er war sehr erfreut. Raif ist sich absolut der Bedeutung, des Prestiges dieses Preises bewusst. Aber in seinem tiefen Inneren gab es gleichzeitig andere Gefühle, die ihn bewegt haben. Er hatte gehofft und ich hatte es auch gehofft, dass er selbst es sein könnte, der diesen Preis persönlich mit seinen Händen entgegennehmen würde. Ich habe ihm immer gesagt: "Du bist es, der das Gefängnis verlassen wird. Und du wirst derjenige sein, der den Preis entgegennimmt und ich werde an deiner Seite sein."
Erster Sacharow-Preisträger war der südafrikansiche Präsident Nelson Mandela. Er und die späteren Geehrten erhielten die Auszeichnung für ihr Engagement für die Menschenrechte.
Der "Sacharow-Preis für geistige Freiheit" wird vom Europäischen Parlament verliehen. Die Fraktionen können Vorschläge machen, Ausschüsse wählen die drei Finalisten, der Präsident des Parlaments bestimmt den Gewinner. Der Sacharow-Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.
tagesschau.de: Verbinden Sie mit dem Sacharow-Preis einen Wunsch, ja eine Forderung?
Haidar: Tatsächlich alles, was ich will, ist, dass Raif das Gefängnis verlässt, dass er frei sein wird und unter uns weilen wird. Das ist alles, was ich fordere.
tagesschau.de: Gibt es irgendwelche Signale, dass Ihr Mann möglicherweise freigelassen werden könnte?
Haidar: Ich habe immer Hoffnung. Ich bin ein Mensch, der immer optimistisch ist. Es ist wahr, manchmal höre ich Neuigkeiten, die mich die Hoffnung verlieren lassen, aber ich überzeuge mich immer wieder, optimistisch zu bleiben und weiterhin Hoffnung zu haben, weil Raif ein friedfertiger Mensch ist und sein angemessener Platz ist bei seinen Kindern - Arm in Arm.