Truppenbesuch mit Frau in Afghanistan "Ein neues Kapitel der fabelhaften Guttenbergs"
Erstmals hat ein Verteidigungsminister seine Frau zu einem Truppenbesuch nach Afghanistan mitgenommen. "Das garantiert größtmögliche Aufmerksamkeit und die besten Bilder", erklärt die Redaktionsleiterin des NDR-Medienmagazins Zapp, Julia Stein, im tagesschau.de-Interview das Vorgehen zu Guttenbergs. Über die Lage in Afghanistan erfahre man aber nichts.
tagesschau.de: Bisher war lediglich Ex-Bundespräsident Horst Köhler mit seiner Gattin nach Afghanistan gereist. Warum hat Verteidigungsminister zu Guttenberg nun seine Frau Stephanie mit nach Afghanistan genommen?
Julia Stein: Es handelt sich hier um ein neues Kapitel der fabelhaften Guttenbergs. Seine Frau garantiert ihm die größtmögliche Aufmerksamkeit und die besten Bilder. Und einige Medien sind ja auch gleich darauf angesprungen. Eine Frau in Afghanistan und dann auch noch Stephanie zu Guttenberg: "Woher nimmt sie diesen Mut" lesen wir beispielsweise auf "Bild.de". Das zeigt, dass die Rechnung aufgeht.
Julia Stein ist Redaktionsleiterin der NDR-Sendung Zapp. Das Medienmagazin beobachtet und bewertet seit 2002 die aktuelle Medienberichterstattung.
"Der PR-Effekt ist enorm"
tagesschau.de: Es gehört aber doch unbestritten zu den Aufgaben eines Ministers, sich über die Lage vor Ort zu informieren?
Julia Stein: Zumindest ist aber auch der PR-Effekt enorm: Wir erfahren weniger über die Lage vor Ort, dafür aber viel über Frau zu Guttenberg: So wird beschrieben, was sie an hatte, und wir sehen sie auf den Fotos. Wir sehen sie gemeinsam mit ihrem Mann, wie sie beide nachdenklich nach Afghanistan fliegen. Wir erfahren einmal mehr, dass sie Mutter von zwei Kindern ist und dass sie diese Reise trotzdem auf sich nimmt. Eine Information über die Lage in Afghanistan vermittelt sich damit jedenfalls nicht.
"Truppenbesuch für ein seriöses Image"
tagesschau.de: Frau zu Guttenberg engagiert sich derzeit vor allem in dem umstrittenen TV-Format "Tatort Internet" gegen den sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Nun besucht sie Verwundete im Lazarett und Soldatinnen im Einsatz. Wie passt das zusammen?
Julia Stein: Das wirkt wie ein Versuch wieder ernstgenommen zu werden. Insofern passt das ganz wunderbar zusammen. Beim TV-Format "Tatort Internet" hat Frau zu Guttenberg ihr seriöses Image ramponiert - womit sie wahrscheinlich nicht gerechnet hat. Und mit einem solchen Besuch in Afghanistan versucht sie es wieder herzustellen.
Ob sich die Soldaten Gehör verschaffen, ist fraglich
tagesschau.de: Zum Tross Guttenbergs zählt unter anderem der TV-Moderator Johannes B. Kerner, der in Afghanistan eine Talkshow mit dem Verteidigungsminister und Soldaten aufzeichnet. Ist eine solche Medienkooperation außergewöhnlich?
Julia Stein: Eine Kooperation als solche ist gar nicht so ungewöhnlich - auch nicht, dass sich Herr Guttenberg als Star und alleiniger Gast einer Show inszenieren kann. Außergewöhnlich ist, dass Kerner vor dieser Kulisse aus Afghanistan sendet. Ob sich die Soldaten dabei aber wirklich auch Gehör verschaffen können und ihre Perspektive in der Berichterstattung eine Rolle spielt, das kann man erst nach der Ausstrahlung der Kerner-Sendung beurteilen.
Guttenberg garantiert große Aufmerksamkeit
tagesschau.de: Man wolle den Soldatinnen und Soldaten im vornherein frohe Weihnachten wünschen, heißt es zur Begründung der Reise. Zeitlich fällt sie auch mit anstehenden Entscheidungen über eine Fortsetzung des umstrittenen Afghanistan-Mandats der Bundeswehr im Bundestag zusammen. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Julia Stein: Selbstverständlich. Zu Guttenberg hat es immer geschafft, eine große Aufmerksamkeit zu erzeugen, für die Themen, die er politisch durchbringen möchte. Dieses Mal möchte er demonstrieren, dass er für die Soldaten in Afghanistan ein offenes Ohr hat und sich ihrer Sorgen annimmt. Nichtsdestotrotz möchte er gleichzeitig Stimmung dafür entwickeln, wie wichtig die Fortsetzung des umstrittenen Afghanistan-Mandats der Bundeswehr ist. Deshalb hängt das eine mit dem anderen eindeutig zusammen.
Das Interview führte Wolfgang Wichmann, tagesschau.de