Generalstreik in Griechenland Gewerkschaften legen das Land lahm
Ein Generalstreik bringt Griechenland für 24 Stunden zum Stillstand. Verschiedene Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen, um gegen die geplante Rentenreform der Regierung zu protestieren, die notwendig für das dritte Hilfspaket der EU ist.
Es ist nicht die Frage, wer heute in Griechenland streikt - sondern eher, wer nicht streikt. Die Supermärkte und Hotels werden wohl offen bleiben. Ansonsten ist so ziemlich alles geschlossen: Behörden und Schulen sowie viele Geschäfte und kleine Produktionsbetriebe. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Athen verkehren nur zwischen 11 und 16 Uhr, damit die Demonstranten in die Innenstadt kommen können. Auch die Taxifahrer sind seit langem wieder mal im Streik.
Der Aufruf zum Generalstreik durch die Gewerkschaften der Staatsbediensteten und der privaten Angestellten sei aber nicht das Hauptproblem für Ministerpräsident Alexis Tsipras, meint Christos Katsioulis, Leiter des Griechenlandbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung; mit denen liege die Regierung schon länger über Kreuz.
"Viel problematischer sind die Proteste der Bauern und Freiberufler. Das ist was Neues in der Krise und das übt besonderen Druck auf die Parlamentarier aus. Das wiederum macht es schwierig, das durchs Parlament zu bringen", erklärt der Experte.
Die Bauern sind nicht besonders zimperlich
Gerade Abgeordnete aus ländlichen Regionen würden in ihrem Wahlkreis massiv unter Druck gesetzt. Zimperlich sind die Bauern jedenfalls nicht. In den vergangenen Wochen haben sie mit ihren Traktoren immer wieder Straßen und Grenzübergänge blockiert. Nur Pkw ließen sie passieren, an der Grenze zu Bulgarien gab es lange Lkw-Rückstaus. Auch eine Kreuzung vor der mazedonischen Grenze hielten die Landwirte zeitweise besetzt – und das sei nur der Anfang, kündigte einer ihrer Sprecher an: "Wir werden weder dieser noch einer anderen Partei erlauben, uns zu beerdigen. Wir werden hier bleiben, um zu kämpfen. Der Protest heute ist nur eine Warnung, um zu zeigen, wozu wir noch in der Lage sind".
Auch Selbständige sind wegen der Pläne außer sich. Rechtsanwälte, Ärzte und Ingenieure kamen vor zwei Wochen zu einer großen Demonstration vor der Athener Universität zusammen: "Ich habe ein Ingenieurbüro, meine Frau ist Rechtsanwältin. Also betrifft uns das Problem von beiden Seiten. Die geplanten Beitragserhöhungen sind vielleicht der letzte Schlag für uns, das könnten wir finanziell nicht überstehen", sagt ein Ingenieur bei der Demonstration.
"Ich habe mein Büro, aber im Moment keine Arbeit und kann weder Beiträge noch Steuern zahlen. Wir werden in die Armut gesteuert. Wir sind die neuen Armen", sagt ein weiterer Demonstrant vor der Universität.
Rentenreform steht schon lange auf der Agenda
Die Pläne für die Rentenreform sehen für Menschen, die neu in den Ruhestand gehen, niedrigere Renten vor. Gleichzeitig sind höhere Beitragssätze für die arbeitende Bevölkerung geplant.
Anders gehe es nicht, meint Katsioulis von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Ohne Einschnitte sei das griechische Rentensystem nicht überlebensfähig - wegen der langen Wirtschaftskrise und des starken demografischen Wandels in Griechenland. "Im Grunde genommen ist diese Rentenreform der richtige Weg, etwas, was seit 2010 auf der Agenda steht. Die vorherigen Regierungen haben das verschleppt und wir müssen diese Rentenreform angehen, weil es mit das größte Problem in den künftigen Jahren für Griechenland ist", erläutert der Griechenlandbüro-Leiter.
Tsipras plant ein Mindesteinkommen
Die griechische Politik hat es bisher auch versäumt, eine staatliche Hilfe für die ärmsten in der Gesellschaft einzuführen. Menschen, die ihren Job verlieren, bekommen nur ein Jahr Arbeitslosenunterstützung; danach ist Schluss. Die Regierung plant aber jetzt ein Mindesteinkommen. Bis es so weit ist, sollen Neurentner keine Einschnitte hinnehmen müssen. Denn viele Familien leben zu einem großen Teil von den Bezügen der älteren Generation.
Bei allem Druck auf Alexis Tsipras sieht Katsioulis dessen Syriza-Regierung noch nicht am Ende. So groß die Kritik sein mag: Die Oppositionsparteien wissen, dass an der Rentenreform kein Weg vorbeiführt. "Von meinem Gefühl her will die Opposition noch keine Neuwahlen erzwingen, weil sie verhindern möchte, dass Tsipras aus der Verantwortung kommt und nicht mehr gezwungen wird, diese Dinge umzusetzen", sagt der Leiter des Griechenlandbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch wenn sich einige Syriza-Abgeordnete verweigern sollten: Mit Stimmen aus der Opposition könnte die Rentenreform das Parlament dennoch passieren.