Österreich nach dem Flüchtlingsdrama 71 Tote, vier Verdächtige gefasst
Die Flüchtlingsdrama in Österreich hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen: Aus dem Laderaum des Lastwagens, der an einer Autobahn südöstlich von Wien abgestellt war, wurden 71 Leichen geborgen. Die Menschen sind vermutlich erstickt. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen.
Bei dem Flüchtlingsdrama im Osten Österreichs sind 71 Menschen gestorben. Wie der burgenländische Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil mitteilte, handelt es sich bei den Opfern um 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder. Das jüngste Opfer - ein Mädchen - sei vermutlich erst ein oder zwei Jahre alt gewesen.
Opfer vermutlich Flüchtlinge aus Syrien
Woher die Opfer stammten, ist noch nicht klar. Zumindest zum Teil kamen sie aber offensichtlich aus Syrien. Bei der ersten Untersuchung sei "ein syrisches Reisedokument vorgefunden" worden. Laut Polizei sind die Menschen vermutlich erstickt.
Die Ermittlungen zu den Verantwortlichen für die Flüchtlings-Tragödie zeigen offenbar erste Erfolge. Die ungarische Polizei nahm drei Bulgaren und einen Afghanen fest. Unter den Verdächtigen war der Besitzer des Kühllastwagens und zwei Fahrer. Laut Doskozil handelt es sich mutmaßlich um Mitglieder eines bulgarisch-ungarischen Menschenhändlerrings.
Obduktionen finden in Wien statt
Der zuständige Staatsanwalt Johann Fuchs rief die anwesenden Journalisten zu einem respektvollen Umgang mit dem Fall bei der Berichterstattung auf. Sichtlich bewegt schilderte er, dass er am Donnerstag vor Ort gewesen sei und die grauenhaften Zustände persönlich miterlebt habe. Er dankte den Mitarbeitern der Polizei und Rettungsteams für ihre schwierige Arbeit.
Ermittler und Gerichtsmediziner sind derzeit damit beschäftigt, den Lkw zu untersuchen und die Toten zu identifizieren. Der Laster wurde dazu auf das Gelände einer ehemaligen veterinärmedizinischen Anstalt in Nickelsdorf gebracht, wo es umfassende Kühlmöglichkeiten gibt. So soll eine weitere Verwesung der Leichen verhindert werden. Genauer sollen die Körper in der Gerichtsmedizin in Wien untersucht werden.
Das Fahrzeug war am Donnerstag in einer Pannenbucht auf der Autobahn A4 bei Parndorf südöstlich von Wien gefunden worden. Dort hat er nach Angaben der Ermittler etwa 24 Stunden gestanden. Noch am Mittwoch soll der Lkw - ein Kühllastwagen mit ungarischem Kennzeichen und dem Logo eines slowakischen Geflügelhändlers - im Raum Budapest gesehen worden sein. Die Staatsanwaltschaft kooperiert daher mit den ungarischen Strafverfolgungsbehörden. Landespolizei-Direktor Dokozil sagte, nach seinem Wissensstand wurde der Lkw nicht als gestohlen gemeldet. Die Ermittlungen liefen aber noch.
Ein "Auf- und Weckruf"
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte: "Gestern war für uns alle ein Tag der Trauer, ein Tag der Emotionen". Es habe sich gezeigt, dass es sich bei Schleppern um Kriminelle handelt, "und nicht um einfache Fluchthelfer". Dieser Tag habe nicht nur betroffen gemacht, sondern solle ein "Auf- und Weckruf" sein, rasch gemeinsam zu europäischen Lösungen zu kommen. Es sei nun wichtig, aus den Krisen- und Kriegsregionen der Welt "schnell legale Wege nach Europa zu schaffen", sagte Mikl-Leitner. Außerdem müsse man mit "Härte und Null Toleranz" gegen Schlepper kämpfen.