Handelsschiffe retten Flüchtlinge "Darauf kann man sich nicht vorbereiten"
2500 Menschen hat allein die Hamburger Reederei Claus-Peter Offen in den vergangenen Monaten gerettet. Doch Handelsschiffe sind nicht für die Rettung von Flüchtlingen ausgelegt, die Besatzungen mit diesen Extremsituationen völlig überfordert.
420 Flüchtlinge aus acht Nationen - so viele Menschen wurden allein vor neun Tagen auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Malta gerettet. Allerdings nicht von einem Seenotrettungsdienst, sondern von einem Hamburger Containerschiff der Reederei Claus-Peter Offen.
"Eine Extremsituation", so Reederei-Vorstand Hermann Klein: "Wenn wir zu einem Einsatz gerufen werden, ist die Crew natürlich im Kern auf solche Einsätze vorbereitet. Aber auf die emotionale Belastung, die in einem solchen Fall eintritt, darauf kann man sich gar nicht vorbereiten."
Handelsschiffe seien grundsätzlich darauf ausgerichtet, normale Seenotfallsituationen zu beherrschen, so Klein. Die Rettung von Flüchtlingen stelle die Besatzungen aber vor unvorstellbare Herausforderungen. Ausreichend Proviant für die völlig ausgehungerten und dehydrierten Menschen gebe es in der Regel. Allerdings mangele es an Unterbringungsmöglichkeiten und vor allem an medizinischem Fachpersonal für die geschwächten und oftmals kranken oder verletzten Flüchtlinge.
Keine ausreichende Versorgung möglich
Insbesondere bei starkem Seegang und Kälte sei eine ausreichende Versorgung unmöglich, sagt Klein. Und es gebe weitere Details: "Wir können vielleicht eine Toilette für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen. 420 Leute haben eine Toilette. In 24 Stunden steht diese ihnen drei Minuten zur Verfügung. Sie können sich vorstellen, wie dann die Zustände an Bord sind."
Etwa 2500 Menschen hat allein die Reederei Claus-Peter Offen in den vergangenen Monaten gerettet. Ein extremer Kraftaufwand. Schwer einschätzbare Situationen, Angst vor Krankheiten wie Ebola. Trotzdem: Infrage stellen würde die Hilfestellung kein Matrose, so Ralf Nagel vom Verband Deutscher Reeder. Dazu verpflichte schon das Internationale Seerecht.
"Aber bitter ist es natürlich, wenn sie feststellen, dass sie angesichts der vielen Menschen an eine Grenze kommen. Und es ist eben häufig auch so, dass etliche von denen, die aus Seenot gerettet worden sind, wegen Entkräftung und Unterkühlung an Bord sterben", sagt Nagel.
Von der Politik alleingelassen
Es sei kein Wunder, dass einige Seefahrer mittlerweile darum gebeten hätten, das Seegebiet südlich von Lampedusa nicht mehr befahren zu müssen. Denn vor allem seit der Einstellung der italienischen Hilfsaktion Mare Nostrum fühlten sich viele Seeleute mit der Verantwortung für die Rettung der Flüchtlinge alleingelassen."Der Staat hat sich zurückgezogen und wir sollen jetzt in diesen Notlagen retten. Deshalb sagen wir: Da muss mehr von staatlicher Seite passieren, das kann nicht auf dem Rücken der Handelsschifffahrt ausgetragen werden", fordert Nagel.
Stattdessen müsse die europäische Flüchtlingspolitik umgehend reformiert werden. Kurzfristig fordern die Reeder unter anderem die Bereitstellung medizinischer Einsatzkräfte. Nur so könne der Tod von Tausenden weiteren Flüchtlingen in den kommenden Monaten verhindert werden.