Zur Entscheidung in Ferguson Wie kam es zum Urteil der Grand Jury?
Zwölf juristische Laien haben eine weitreichende Entscheidung getroffen: Der Polizist, der Michael Brown getötet hat, muss nicht vor Gericht. Wie die Grand Jury in Ferguson zu ihrem Urteil kam, erklärt USA-Korrespondentin Sabrina Fritz im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Wie hat die Grand Jury ihr Urteil begründet?
Sabrina Fritz: Die Grand Jury sieht es als erwiesen an, dass der Polizist Darren Wilson zu seiner Verteidigung geschossen hat. Das betonte auch der Staatsanwalt: Die Zeugenaussagen und die körperlichen Beweise würden die Geschichte dieser tragischen Nacht erzählen. Danach griff Michael Brown den Polizisten in seinem Auto an. Brown lief weg, kam wieder zurück und dann fielen die tödlichen Schüsse.
tagesschau.de: Die Aufregung über das Urteil ist groß. Warum sind so viele Menschen empört?
Fritz: Es bleibt die Tatsache, dass Brown unbewaffnet war und dass der Polizist nicht nur einen Warnschuss abgab, sondern zwölf Mal schoss. Nach deutschen Maßstäben geht das über das hinaus, was man unter Selbstverteidigung oder Notwehr versteht. Viele fragen jetzt, ob sich der Polizist auch bedroht gefühlt hätte, wenn es sich um einen weißen Jugendlichen gehandelt hätte, der Zigaretten geklaut hat? Es hält sich der Verdacht, dass der Polizist gegenüber Brown aufgrund seiner Hautfarbe voreingenommen war.
tagesschau.de: Kann die Empörung dazu führen, dass noch mal neu nachgedacht und am Ende doch Anklage erhoben wird?
Fritz: Nein. Wenn der Staatsanwalt unbedingt Anklage hätte erheben wollen, hätte er das tun können. Er musste den Fall gar nicht von einer Grand Jury entscheiden lassen. Das aber wollte er offenbar. Das Justizministerium untersucht allerdings noch, ob es sich um einen Fall von Rassismus gehandelt hat. Aber wie will man das nachweisen?
tagesschau.de: Diese Grand Jury besteht aus zwölf Geschworenen, die allesamt keine Juristen sind. Nach welchen Kriterien werden Geschworene ausgewählt?
Fritz: Die Jury soll ungefähr der Bevölkerung in dem Bundesstaat entsprechen. Darum waren nur drei schwarze und neun weiße Amerikaner ausgewählt worden. Das passt für den Bundesstaat, also für Missouri, aber nicht für die Stadt Ferguson.
tagesschau.de: Unterscheiden sich die Auswahlkriterien in diesem besonderen Fall?
Fritz: Nein, im Gegenteil. Diese Grand Jury ist schon im Mai zusammengekommen, also lange bevor im August die tödlichen Schüsse fielen. In der Regel ist es so, dass eine einmal einberufene Jury sich mit allen anfallenden Fällen befasst. Der Fall Brown war aber mit mehr als 25 Sitzungen und 60 Zeugenaussagen so aufwändig, dass sich die Geschworenen nur noch damit beschäftigten.
tagesschau.de: Den Geschworenen muss klar gewesen sein, dass ihre Entscheidung höchste Aufmerksamkeit erfahren wird. Sind sie auf diese Herausforderung vorbereitet worden oder werden sie psychologisch unterstützt?
Fritz: Offiziell gibt es darüber keine Auskunft, ich denke aber schon. Der Staatsanwalt hat besonders hervorgehoben, dass die Geschworenen in den letzten Wochen ihr Leben und ihre Familie diesem Fall geopfert hätten.
tagesschau.de: Kann man es juristischen Laien überhaupt zumuten, mit Folgen wie in Ferguson fertig zu werden? Dass es zu Schießereien, Verletzten, Brandstiftungen kommt?
Fritz: Als Grand Jury in den USA ist man es gewohnt, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Schließlich urteilen Jurys auch in Fällen, in denen es am Ende um die Todesstrafe geht. In diesem aktuellen Fall wird die Grand Jury aber sehr darauf achten anonym zu bleiben. Der öffentliche Druck ist schon sehr groß.
tagesschau.de: Warum spielen Geschworene im amerikanischen Rechtssystem eine so große Rolle?
Fritz: Es ist vor allem der vorliegende Fall, in dem eine Grand Jury eine so große Rolle spielt. Der Staatsanwalt hätte auch alleine entscheiden können, wollte sich aber wohl angesichts der Brisanz von den breiten Schultern einer Grand Jury tragen lassen. Insgesamt gesehen nimmt die Bedeutung der Grand Jury in den USA ab. Sie ist ja nur dazu da festzustellen, ob es genug Beweise für eine Anklage gibt. Sie fällt kein Urteil. Fast die Hälfte der Bundesstaaten nutzt die Grand Jury nicht mehr und lässt stattdessen eine öffentliche Anhörung zu.
Die Fragen stellte Ute Welty, tagesschau.de, per E-Mail